Dienstag, 14. September 2010

Auszeit unter Segeln. Ein Sommer auf der Ostsee.

Eigentlich hatte ich gerade gar keine Lust, schon wieder eins der Segelbücher zu kaufen und zu lesen. Drei dieser Exemplare liegen noch bei mir herum, an einem hab ich mir die Zähne ausgebissen. Als ich aber dann irgendwann aus irgendeinem Grund an einem Buchlanden nicht vorbeigehen konnte und irgendwie in der Abteilung für Abenteuerberichte landete, konnte ich dann aber doch nicht widerstehen, dieses Buch über eine Ostseeumsegelung aus dem Regal zu ziehen. Der Name des Autors ist mir schon zwei Mal begegnet – in einem Bericht in der Yacht über die aktuell laufende Weltumseglung und im Online-Logbuch von Bernt Lüchtenborg.
Etwas skeptisch schlage ich die ersten Seiten auf und was ich dort erblicke, trifft mich wie ein Schlag. Da stehen ein paar traurige Worte eines wohlbekannten Liedtextes, den ich in diesen Tagen wieder häufiger im Ohr hatte. Die geliebten Wolfsheim sinnieren darin darüber, dass man heute leben muss und dass irgendwann ein Traum viel zu lange her ist (http://www.youtube.com/watch?v=icUC32-0WuY). Volltreffer! Beinahe schießen mir die Tränen in die Augen. Gekauft!
Ich lasse meinen anderen Segelwälzer links liegen und habe das Buch innerhalb von einer Woche durch. Das Buch ist gut geschrieben. Schöne kurze Kapitel, keine ewig lange Selbstbeweihräucherung, wie in dem anderen Wälzer. Die beiden Protagonisten machen nichts außergewöhnliches, eben eine Umsegelung der Ostsee, meist kurze Schläge. Einige Orte die sie bereisen, kenne ich nun schon aus eigener Segelerfahrung. Das Buch macht mächtig Lust, Teile der Reise nachzuahmen, vor allem in Richtung Osten nach Tallinn, Helsinki und St. Petersburg verbunden mit einer Rückreise durch die finnischen und schwedischen Schären, über Stockholm und Kopenhagen bei Ausgangshafen um Rügen würde mich sehr reizen. Ähnlich wie die beiden Protagonisten fange ich an zu überschlagen, wie viel Zeit man dafür wohl braucht. Ergebnis: 35 Tage Fahrtzeit plus Aufenthaltszeit – macht ca. 70 Tage, also 2-3 Monate. Ich fange an zu rechnen: Ein gechartertes, taugliches Boot würde 9.000 Euro kosten, zzgl. 10-20 Euro pro Tag an Lebenshaltung macht ca. 10-12 Tsd. Euro. Das sind 5-6 Tsd. Euro pro Nase, wenn man zu zweit ist. Machbar. Mit eigenem Kiel sowieso.
Das Buch überzeugt vor allem am Anfang bis etwa zum nördlichsten Punkt der Reise, dem auch von mir geliebten Nordkap (Besuch über Land!). Die Kontakte mit den Einheimischen und die Erfahrungen mit den weißen Nächten machen Lust darauf, auch ganz weit in den Norden zu fahren. Ab diesem Punkt jedoch hat man das Gefühl, der Autor hetzt etwas in der Sprache, um zum Ende zu kommen. Vielleicht hat der Verlag auch etwas Kürzung verlangt. Vielleicht ist das aber auch der Eindruck, der entsteht, weil es ab diesem Punkt wieder zurück ging. Das scheint komisch zu sein auf Langfahrt, ab der Hälfte ist es irgendwie Rückweg, auch wenn’s um die Welt oder irgendwo anders rum geht. Und Rückweg macht nie wirklich Spaß.
Und eine Erkenntnis bereitet mir auch in diesem Buch wieder Sorge. Motorschaden. In jedem Segelbuch, das ich bisher las, war irgendwann der Motor kaputt. Dieses verfluchte Teil macht immer und überall einen Strich durch die Rechnung. Für meine eigene geplante Langfahrt notiere ich: Leistungsstarker Ersatzaußenborder muss für den Notfall für Redundanz dieses offensichtlich empfindlichsten Geräts sorgen. Gibt es eigentlich Diesel-Außenborder?
Das Beste am Buch ist die dazugehörige Internetseite hippopotamus.de. Dort gelangt man – etwas versteckt zwar – noch auf das alte Ostsee-Projekt dieses inzwischen Weltumseglers und kann sich – quasi als Bonusprogramm – viele hunderte Bilder anschauen zu den Geschichten, die man gerade gelesen hat. Toll! Endlich mal wieder im Dream-Modus. Dafür gibt’s volle fünf Punkte.

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