Mittwoch, 3. November 2010

Mast legen und slippen

Nachdem ich vor dem ersten Mal Mast stellen große Sorge hatte, es aber im Nachhinein ganz einfach fand, war ich dieses Mal beim Legen des Mastes deutlich positiver gestimmt. Das krieg ich schon irgendwie hin. Allein!
Gesagt, getan. Selbstbewusst wandere ich an einem Montagnachmittag in meiner Umzugswoche zum Boot und entferne das Achterstag. Dann baue ich die etwas eigenwillige Maststütze des Vorbesitzers auf: Der hat einfach die Badeleiter für die Sicherung des gelegten Mastes verwendet. Ich wende alle Seemannsknoten an, die ich kenne, um das Ding stabil zu bekommen. Jetzt schraube ich den vorderen Mastbolzen heraus und entsichere den hinteren, sodass ich ihn im Bedarfsfall schnell herausziehen kann.
Nun kommt der kritische Moment. Ich löse das Vorstag, der Mast wird nur durch die seitlichen Wanten und durch meinen Zug am Vorstag gehalten. Vorsichtig gehe ich nach hinten und….RRRRUUUUMMMMMS! Ich unterschätze das Gewicht des sich legenden Mastes, kann ihn am Vorstag nicht ausreichend halten und das Teil kracht nur ein wenig gebremst auf die Badeleiterkonstruktion. Erste Einschätzung: Alles noch ganz, nochmal gut gegangen. Nur die Badeleiterkonstruktion muss trotz aller Seemannsknoten neu aufgebaut werden.
Als das endlich und mühevoll erledigt ist stelle ich fest: Irgendwas stimmt nicht. Und mir dämmert auf einmal was: Zur Sicherung der Badeleiter hatte der Voreigner eine eigenwillige Holzfusskonstruktion gebaut, auf der die Badeleiter sicherer und vor allem höher steht. Also muss ich nochmal die ganzen Knoten aufdruseln, das Holzteil zwischen Boot und Leiter schieben und anschließend alles wieder vertüdeln.
30 Minuten später folgt noch das Lösen der Wanten und das anschließende Fixieren des Mastes am Boot. Das ist eher Routine und Fleißarbeit, aber stellt kein Problem mehr dar. Am Ende des Tages liegt Geli mit gelegtem Mast am Steg und klein Micha ist stolz, es ganz allein geschafft zu haben. So richtig beeindruckend findet das aber nicht jeder in meinem Umfeld. Muss also etwas alltägliches sein. Ich grinse aber breit übers Gesicht.
Was lerne ich daraus? Fürs nächste Mal habe ich mir vorgenommen, den Mast kontrolliert über das Fockfall kommen zu lassen. Auf dieselbe Weise will ich ihn auch ohne fremde Hilfe hochbekommen. Letzteres kann ich ja dann im Frühjahr gleich mal probieren.
Ein paar Tage später, am Donnerstag, gehe ich dann ein letztes Mal in diesem Jahr zu Geli. Ich setz mich ins Boot und parke ganz allein aus – wie immer ohne weitere Zwischenfälle. Und dann geht’s rüber in die Marina Lanke zum Slippen. Mein Motor Jack hält trotz erheblichem Gegenwind durch und bringt mich sicher auf die andere Seite des Ufers. Das Anlegemanöver – ganz allein und ohne Hilfe – gelingt dank des Tricks mit der achternen Luvleine, den mir Skipper Jörg bei der SKS-Ausbildung beigebracht hat. Auch seine Leinen-Wurftechnik hilft ungemein.
Ein paar Minuten später hängt Geli in der Luft und bekommt danach auf dem Trailer noch eine Anti-Algendusche. Unter dem moosgrünen Bewuchs findet sich tatsächlich mein blauer Unterwasseranstrich wieder. Und jetzt kommt Geli ins Winterlager zu Stefan. Ich freu mich, wieder einen Anlass zu haben, die nicht ganz unerheblich weite Strecke zu ihm zu fahren.

Dienstag, 19. Oktober 2010

Jörg A. Herber: Albatrosse morden nicht

Man könnte meinen, ich werde regelrecht zum Büchernarr. Eigentlich lese ich doch so überhaupt nicht, aber ein Wellnesswochenende, zu dem mich Moli überredet hat, führt nun doch dazu, dass ich wieder eins meiner schon staubigen ungelesenen (Segel-) Bücher aus dem Regal geholt habe. Niemand berühmtes hat dieses Buch geschrieben, kein besonderer Autor – zumindest für die Allgemeinheit. Ich habe mir das Buch unmittelbar nach meinem SKS-Praxistörn gekauft. Und das hat damit zu tun, dass der Autor niemand anderes ist, als der Skipper. Ich wollte mehr über ihn und über seine Kap Hoorn Rundung erfahren, von der er auf unserem Törn erzählte. Und auch wenn dieses Buch Fiktion ist, dachte ich, stehen da doch auch ein paar seiner Erfahrungen drin, von denen ich lernen will.
Und so kam es dann auch: Immer wieder im Buch entdecke ich Geschichten und Ansichten, die mir aus den Erzählungen des Skippers sehr bekannt vorkommen. Schon bald steht für mich fest: In diesem Buch könnte viel mehr Realität stecken, als in „Meereslust“, dessen Autor sich ja durch einen hohen fiktiven Anteil seines eigentlich realitätsnahen Berichtes einen Namen gemacht hat. „Albatrosse morden nicht“ strotzt nur so von seglerischen, aber vor allem auch psychischen Grenzerfahrungen an Bord bei einem solch gefährlichen Unternehmen wie der Kap Hoorn Rundung.
Nebenbei – so sehe ich das aus meiner Perspektive – gibt es eine kleine Kriminalgeschichte, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, die am Ende zusammenfließen. Richtig gut gemacht! Die Geschichte und die Erzählweise packt mich und ich kann einfach nicht aufhören, dieses Buch zu lesen. Einmal stehe ich in der Nacht auf und muss weiterlesen, weil ich nicht abwarten kann wie es weitergeht.
Die Differenzierung zwischen Fiktion und Wirklichkeit wird zum Spannungstreiber im Buch, die Spannung bleit bis zuletzt erhalten. Und ich frage mich, wie viel Wirklichkeit von der tatsächlich vom Skipper Jörg unternommenen Kap Hoorn Rundung dabei war. Ich frage mich, ob auch er einen derart militärisch geprägten Freund und Skipper an Bord hatte – erklären könnte man seine Art in der Ausbildung damit schon ein bisschen. Ich überlege, ob ich ihm einfach mal schreibe. Aber dafür bin ich dann wohl doch irgendwie zu feige. Fünf von fünf Sternen würde ich dem Buch geben!

Dienstag, 12. Oktober 2010

Hauke Trinks - Leben im Eis

Es ist schon länger her, dass mir dieses Buch empfohlen wurde. Fast schon ein Jahr wähnte es sich des Schicksals vieler der Bücher, die bei mir im Schrank stehen: Ungelesen im Bücherregal zu verstauben. Dank zahlreicher S-Bahnfahrten und der Abwesenheit meines Fahrrades am Gast-Wohnort meiner Wahl kam ich jedoch irgendwann dazu, auch dieses Buch endgültig zu verschlingen.
Es ist keins der typischen Segelbücher – und dennoch dreht sich die Geschichte um einen allzu typischen Segler. Diese Segler haben irgendwann alle die Nase voll und wollen fliehen – vor dem Alltag, ins Ungewisse, wollen sich selbst finden. So auch Hauke Trinks – Er floh jedoch nicht auf der Barfussroute in den warmen Süden, nein, der Protagonist wollte sich mit seiner Stahlyacht in Spitzbergen einfrieren lassen und dort in der Polarnacht überwintern – um der Wissenschaft zu dienen. Das hat er auch geschafft.
Die Entstehung des Lebens im Eis war die Motivation des Autors, doch mal ganz ehrlich: die ganzen (zahlreichen) wissenschaftlichen Passagen im Buch interessieren herzlich wenig. Spannend ist vielmehr, wie dieser Einhandsegler sich in das ungemütlichste Terrain vorwagt und ganz allein auf sich gestellt in der Wildnis überleben will. Die Erzählungen erinnern mich viel mehr an „Into the Wild“ als an ein Segelabenteuer. Spannend sind die Erzählungen, sich in der Natur durchzuschlagen, mit den Eisbären ums Revier zu kämpfen und vor allem sich selbst und die Einsamkeit nicht zum größten Feind werden zu lassen. Fast zum Nebenbeiprodukt werden die Erzählungen über das Schiff und das Segeln. Nur in Nebensätzen erfährt man von der Atlantiküberquerung und über andere Reisen des Autors.
Wie öfter bei Weltumseglern zu lesen ist, scheint es dieser ehemalige Uni-Chef nach seiner Reise schwer gehabt zu haben mit dem Einleben in die Gesellschaft. So eine Reise verändert doch sehr stark, zeigt wie lächerlich unser hier und jetzt mit all den Terminen und Präsentationen und wichtigen Telefonaten eigentlich ist, wenn man mal in der Natur einfach nur mit der Beschaffung von Nahrung und mit dem Überleben beschäftigt war.

Ich für meinen Teil will diese Erfahrung jedoch lieber in der Südsee machen als am Nordpol. Auch finde ich Robben viel zu süß, als dass ich sie schlachten und essen könnte, so wie es Hauke Trinks nicht nur verbal sondern auch mit Bildern im Buch dokumentiert. Mal sehen, ob’s klappt.

Mittwoch, 15. September 2010

Profane Erkenntnisse

Vieles an Bord erfordert viel Erfahrung und Geschick. Wenn man – so wie ich – von einer handelsüblichen Billig-Jolle ohne jede Erfahrung kommt, stellen sich dabei viele Fragen, etwa die nach der Funktion eines Selbstwendefocks, einer Rollreffeinrichtung oder etwa nach der Handhabung von Lazy-Jacks und selbstholenden Winschen. Manches nützliche Wissen an Bord dient aber nicht dem Segeln allein, sondern eher den ganz normalen, ja profanen menschlichen Bedürfnissen. Richtig, die Rede ist von der in den Berichten großer Weltumsegler oft stiefmütterlich behandelten Erfahrung mit der Bordtoilette.
Nun kamen Fragen danach, wie denn nun an Bord mit den täglichen menschlichen Bedürfnissen zu verfahren sei, vergleichsweise häufig in meinem Bekanntenkreis vor. Darum will ich mich der Herausforderung stellen und auch meine Erfahrungen mit diesem Thema nicht vorenthalten. Denn – man mag es kaum glauben – die Benutzung dieses durchaus nützlichen Geräts birgt allerhand Risiken, wenn nicht sogar Lebensgefahr. Wohl auch deshalb ist die Handhabung wohl auch zentraler Prüfungsstoff für die Theorieprüfung beim SKS-Schein (Fragen 21 und 34)! Blöd nur, wer so wie ich mit einem SBF See anfängt.
Dass die Bordtoilette Gefahr für Leib und Leben der Besatzung bedeuten kann, habe ich bereits bei meinem ersten Charter (damals noch nur mit SBF See) festgestellt. Nach einer längeren Tour nämlich bemerkte ich, dass durch das Badezimmer Wasser ins Schiffsinnere drang. Die Kloschüssel war übergelaufen. Ursache war nicht – wie zunächst angenommen – das fehlende Spülen eines bereits vermeintlich angeschwärzten Besatzungsmitglieds. Nein, Ursache war die fehlerhafte Bedienung dieses komplexen Geräts. Die Folge war ein unbeabsichtigtes Eindringen von Wasser ins Bordinnere und damit potenzielle Sinkgefahr. Es ist also nicht so, wie man das von zuhause kennt, dass nach der Spülung alles erledigt ist – nein, der Toilettengang muss sorgfältig vor- und auch nachbereitet werden.

1. Vorbereitung: Bevor alles losgeht, müssen die Seeventile geöffnet werden. Irgendwo schließlich muss das Spülwasser ja herkommen – und irgendwo hin muss es dann auch wieder abfließen. Also gibt es genau zwei Ventile: Eins für die Frischwasserzufuhr und eins für die Abwasserabfuhr. Die muss man erstmal finden. Ich habe bereits drei Fälle erlebt:
a) Manchmal findet man die Teile unter dem Waschbecken im Schrank versteckt – in dem meisten Fällen sind sie nur zugänglich, wenn man auf den Knien gebückt mit dem Gesicht ans Waschbecken gepresst den Arm soweit möglich nach hinten im Wachsbecken-Unterschrank verschwinden lässt, wie es eben geht.
b) Als Variante ist auch das Versteck in der achterlichen Backskiste möglich. Glück hat man, wenn diese auch durchs Klo zugänglich ist.
c) Besonders schön aber auch die Variante auf der Bavaria 890: Hier muss man aus dem Klo raus und in den Salon, muss dann die Sitzpolster entfernen um an den Stauraum zu kommen, dort alles hochklappen, im schlimmsten Fall sämtliches Proviant ausräumen um dann mit ähnlicher Technik wie bei a) an die begehrten Hebel zu kommen. Wichtigster Punkt: Bevor man mit anderen Dingen loslegt, sollten diese Vorbereitungsmaßnahmen vollständig abgeschlossen sein. Im anderen Fall kann es passieren, dass man mit heruntergelassener Hose und einfach nicht abfließen wollenden Schüssel-Inhalt sich irgendwo zum Ventil recken muss, was unangenehm werden kann. Im schlimmsten Fall schwappt dabei vorher seegangsbedingt der Inhalt der Kloschüssel über, was den Ärger über die Situation sicherlich nicht mindert….

2. Der eigentliche Prozess. Während der Sitzung ist eine möglichst stabile Lage einzunehmen, die auch dem Seegang sicher standhält. Erst jetzt erschließt sich dem Nutzer die unglaubliche Enge dieser Yacht-Nasszellen, weil man sich dadurch nämlich optimal verkeilen kann, etwa indem man mit dem Gesäß einerseits die Kloschüssel und mit dem Kopf andererseits die Tür fixiert. Elementar an dieser Haltung ist, dass man sich auf GAR KEINEN FALL an der Türklinke festhalten darf. Im schlimmsten Fall kann sich dabei das folgende, von SKS-Lehrskipper Jörg erlebte Szenario abspielen: Bei starker Krängung auf die Toilettenseite hält man sich an der Klinke fest, um nicht nach hinten zu kippen. Beim wellenbedingten schnellen Wechsel der Schräglage auf die Seite gegenüber der Toilette droht dabei, beim Nach-vorn-kommen die Klinke unbeabsichtigt nach unten zu drücken und die Tür zu öffnen. In diesem Fall kann die Tür (bei älteren Schiffsmodellen) nach außen aufgehen. In der Folge fliegt man zur Belustigung der in der Plicht sitzenden Mannschaft mit heruntergelassener Hose aus dem Klo raus und einmal quer durchs Schiffsinnere auf die gegenüberliegende Seite. Wenn man Pech hat, ist dort ein mannshoher Ölzeugschrank, dessen Türen sich durch unsachgemäße Benutzung im Wellengang geöffnet haben. Im schlimmsten Fall landet man dadurch in diesem Schrank und durch die inzwischen gewechselte Krängungsseite fallen die Türen zu und man ist eingeschlossen. Deshalb: Nie an der Klinke festhalten! Zum Glück wurden die Schiffe neuerer Bauart wegen dieses Problems aber mit nach innen öffnenden Türen ausgestattet. Hier ist das Festhalten an der Klinke erlaubt, wenn auch nicht empfohlen. Zu groß ist die Gefahr, sich bei abreißender Türklinke und ohne Werkzeug in greifnähe im Klo eingeschlossen wiederzufinden.

3. Nun folgt das Spülen. Hierzu befindet sich sitzend meist links neben der Toilette eine Apparatur. Zentrales Element: Der Pumpenhebel, der durch vertikales Bewegen betrieben wird. Zuvor jedoch muss der davorliegende Hebel richtig bedient werden. Wenn dieser auf der Seite mit einem blauen (meist abgewetzten) Rohrsymbol liegt, kommt Spülwasser von außen ins Becken. Das ist gut für den Start. Jetzt kräftig Pumpen, bis alles weg ist. Als nächstes ist der Hebel vom blauen Rohrsymbol auf das weiße Rohrsymbol zu legen. Das bedeutet Abpumpen ohne Frischwasserzufuhr. Jetzt wieder ordentlich Pumpen. Wenn alles weg ist, noch genau sieben Mal nachpumpen! Erst jetzt ist der Spülvorgang beendet.


4. Nachbereitung: Um den oben beschriebenen Gefahrenfall des unbeabsichtigten Sinkens zu vermeiden, müssen nun noch alle Seeventile geschlossen werden. Dies geschieht unter Analogie des Punktes 1, wobei im Fall c) der Proviant wieder ordnungsgemäß und seegangssicher zu verstauen ist. Und auch das war mir anfangs nicht klar: Geschlossen sind die Ventile, wenn die Stellung des Ventilhahns mit der durch die anliegenden Rohre erkenntlichen Durchflussrichtung einen rechten Winkel zeigt.


Wer diese vier Punkte bei ordentlicher Welle erfolgreich und ohne einsetzende Übelkeit gemeistert hat, ist seefest und wird niemals seekrank werden. Wer Schwierigkeiten damit hat, dem seien zusätzlich zur Bordtoilette die Utensilien „Eimer“ (Bitte mind. 2 Eimer im Schiff haben mit unterschiedlicher Färbung jeweils für Verwendungszweck) sowie umgangssprachlich für Männer die „Ente“ und für Frauen das anatomisch angepasste „Urin-Schiffchen“ empfohlen. Diese Utensilien haben auch den Vorteil, dass die häufige Verstopfung der Rohrsysteme und die unangenehme Reinigung derselben damit vermieden werden kann, haben jedoch Nachteile vor allem bzgl. der Romantik einer Seefahrt.

Dienstag, 14. September 2010

Auszeit unter Segeln. Ein Sommer auf der Ostsee.

Eigentlich hatte ich gerade gar keine Lust, schon wieder eins der Segelbücher zu kaufen und zu lesen. Drei dieser Exemplare liegen noch bei mir herum, an einem hab ich mir die Zähne ausgebissen. Als ich aber dann irgendwann aus irgendeinem Grund an einem Buchlanden nicht vorbeigehen konnte und irgendwie in der Abteilung für Abenteuerberichte landete, konnte ich dann aber doch nicht widerstehen, dieses Buch über eine Ostseeumsegelung aus dem Regal zu ziehen. Der Name des Autors ist mir schon zwei Mal begegnet – in einem Bericht in der Yacht über die aktuell laufende Weltumseglung und im Online-Logbuch von Bernt Lüchtenborg.
Etwas skeptisch schlage ich die ersten Seiten auf und was ich dort erblicke, trifft mich wie ein Schlag. Da stehen ein paar traurige Worte eines wohlbekannten Liedtextes, den ich in diesen Tagen wieder häufiger im Ohr hatte. Die geliebten Wolfsheim sinnieren darin darüber, dass man heute leben muss und dass irgendwann ein Traum viel zu lange her ist (http://www.youtube.com/watch?v=icUC32-0WuY). Volltreffer! Beinahe schießen mir die Tränen in die Augen. Gekauft!
Ich lasse meinen anderen Segelwälzer links liegen und habe das Buch innerhalb von einer Woche durch. Das Buch ist gut geschrieben. Schöne kurze Kapitel, keine ewig lange Selbstbeweihräucherung, wie in dem anderen Wälzer. Die beiden Protagonisten machen nichts außergewöhnliches, eben eine Umsegelung der Ostsee, meist kurze Schläge. Einige Orte die sie bereisen, kenne ich nun schon aus eigener Segelerfahrung. Das Buch macht mächtig Lust, Teile der Reise nachzuahmen, vor allem in Richtung Osten nach Tallinn, Helsinki und St. Petersburg verbunden mit einer Rückreise durch die finnischen und schwedischen Schären, über Stockholm und Kopenhagen bei Ausgangshafen um Rügen würde mich sehr reizen. Ähnlich wie die beiden Protagonisten fange ich an zu überschlagen, wie viel Zeit man dafür wohl braucht. Ergebnis: 35 Tage Fahrtzeit plus Aufenthaltszeit – macht ca. 70 Tage, also 2-3 Monate. Ich fange an zu rechnen: Ein gechartertes, taugliches Boot würde 9.000 Euro kosten, zzgl. 10-20 Euro pro Tag an Lebenshaltung macht ca. 10-12 Tsd. Euro. Das sind 5-6 Tsd. Euro pro Nase, wenn man zu zweit ist. Machbar. Mit eigenem Kiel sowieso.
Das Buch überzeugt vor allem am Anfang bis etwa zum nördlichsten Punkt der Reise, dem auch von mir geliebten Nordkap (Besuch über Land!). Die Kontakte mit den Einheimischen und die Erfahrungen mit den weißen Nächten machen Lust darauf, auch ganz weit in den Norden zu fahren. Ab diesem Punkt jedoch hat man das Gefühl, der Autor hetzt etwas in der Sprache, um zum Ende zu kommen. Vielleicht hat der Verlag auch etwas Kürzung verlangt. Vielleicht ist das aber auch der Eindruck, der entsteht, weil es ab diesem Punkt wieder zurück ging. Das scheint komisch zu sein auf Langfahrt, ab der Hälfte ist es irgendwie Rückweg, auch wenn’s um die Welt oder irgendwo anders rum geht. Und Rückweg macht nie wirklich Spaß.
Und eine Erkenntnis bereitet mir auch in diesem Buch wieder Sorge. Motorschaden. In jedem Segelbuch, das ich bisher las, war irgendwann der Motor kaputt. Dieses verfluchte Teil macht immer und überall einen Strich durch die Rechnung. Für meine eigene geplante Langfahrt notiere ich: Leistungsstarker Ersatzaußenborder muss für den Notfall für Redundanz dieses offensichtlich empfindlichsten Geräts sorgen. Gibt es eigentlich Diesel-Außenborder?
Das Beste am Buch ist die dazugehörige Internetseite hippopotamus.de. Dort gelangt man – etwas versteckt zwar – noch auf das alte Ostsee-Projekt dieses inzwischen Weltumseglers und kann sich – quasi als Bonusprogramm – viele hunderte Bilder anschauen zu den Geschichten, die man gerade gelesen hat. Toll! Endlich mal wieder im Dream-Modus. Dafür gibt’s volle fünf Punkte.

Montag, 16. August 2010

Abschied

Wir fahren nicht mehr raus, auch nicht, als wir quasi noch einen Zusatztag auf dem Boot vom Eigner geschenkt bekommen, weil der es erst einen Tag später zum Boot schafft. Wir ziehen um ins Hotel und genießen den Luxus eines Bettes mit Stehhöhe. Auch wenn wir an Land sind, so stellt sich der seltsame aber schon bekannte Effekt ein, dass trotzdem alles schwankt.
Wir verbringen die Tage am Strand oder in den Städten der Insel und natürlich an der Quarkeria. An meinem Geburtstag liegen wir im Strandkorb und genießen es, die Zeit einfach nur verstreichen zu lassen. Auch baden gehe ich noch einmal.
Nach unserer Abreise fahren wir schließlich noch in Lübeck vorbei. Eine wirklich tolle kleine süße Stadt, in der man sich vorstellen kann, zu wohnen. Wir erklimmen einen Kirchturm und genießen die Aussicht über die Stadt. Im Café Affenbrot gibt es noch eins der leckersten Essen, die ich seit langem zu mir genommen hab – etwas Vegetarisches! Auf dem Marktplatz sitzt ein alter Bekannter, denke ich und stelle mir vor, dass so wohl unser ausrangierter Kapitän aus den Lautsprechern unseres Funkgerätes aussieht. Und dann heisst es leider Abschied nehmen – oder wir Käptn Diezel sagen würde: „Tschüss Tschüss“…Zurück in den gehassten Alltag.

Donnerstag, 12. August 2010

Horrortrip

Es ist 6 Uhr 30. Wir wachen in unserer Kajüte aus irgendeinem Grund auf und fühlen uns verhältnismäßig wach. Es entsteht die spontane Idee, einen Früh-Morgens-Spaziergang zu machen. Gesagt, getan. Wir murmeln uns aus den Schlafsäcken heraus und machen uns auf zum Dorfbäcker, der tatsächlich um diese Zeit schon offen hat und uns Brötchen, Streuselschnecke, Kaffee und die Zeitung verkauft. An der einsamen Strandspitze suchen wir uns dann einen Platz zwischen den Möwen, die allerdings wenig von unserer Gesellschaft halten und sich davon machen.
In Timmendorf hat es uns eigentlich wunderbar gefallen. Wir würden gern noch einen Tag bleiben. Aber wohl oder übel neigt sich unser Urlaub dem Ende. Für die Rückreise haben wir nur noch den heutigen und den morgigen Tag. Heute sagt uns Delta Papa Null Sieben: „Ooooooooost drei bis vier. Strichweise dieeeesigggg, strichweise Schauerböen, die See: oooooin bis oooins Komma fünf Meder“. Ostwind ist selten und ideal für den Rückweg. Für Freitag dagegen ist Nordwest angesagt, was fatal wäre. Zudem soll es am Freitag sehr windig werden.
Während wir Delta Papas Berichten beim wunderbaren Frühstück (endlich mal an Deck) lauschen, entscheiden wir, heute zu fahren. Zu hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Morgen der Wind gegen uns umschlägt und zu stark wird. Wir sind schnell startklar und es gelingt ein perfekter Ableger. Kaum sind wir auf der See, fängt es aber an, ununterbrochen zu regnen.
Nach einer Weile Windstille und unter Motor meldet sich Petrus nicht nur mit Schauern, sondern auch mit stark zunehmenden Wind zurück. Moli übernimmt das Steuer und alles scheint gut zu laufen. Fünf bis sechs Knoten Fahrt. Das Land ist schon aus der Sicht. Plötzlich aber muss Moli mal kurz nach unten. Die Folgen sind fatal. Die Seekrankheit, die uns bisher so toll verschont hat, meldet sich nun mit aller Kraft zurück und schaltet Moli ganz einfach aus. Niemals bei Seegang unter Deck gehen! Die Kreuzsee mit Dünung aus Nord und Windsee von Süd-Südost hat kein Erbarmen, tut ihr übriges und lässt das Boot samt Moli wild hin und her schaukeln.
Es wird auch für mich zu einer Grenzerfahrung. Zwar verschont mich die See bei der Seekrankheit, aber ich mache mir große Sorgen um Molis Zustand, wo ich doch gleichzeitig mich um das Boot kümmern muss. Ich finde eine Möglichkeit, sie an Deck hinzulegen, was wegen der eigenwilligen Architektur der Plicht nicht selbstverständlich ist. In die warme Kajüte bekomme ich sie dagegen nicht. Ich kette sie mit dem Lifebelt an, dass sie nicht vom Boot fallen kann und versuche ihr immer wieder etwas zu Trinken anzubieten. Schließlich hole ich den Schlafsack und bette sie darin ein, weil sie inzwischen ununterbrochen bibbert. Das war gut meinte sie später. Der Regen macht unterdessen alles Plitschnass. Meine Moli und meinen Schlafsack.
Mitten auf der Fahrt und irgendwo ohne Land oder Schiffe in Sicht und mit einer Moli im Knock-Out-Zustand bekomme ich einen kleinen Eindruck davon, wie es sein muss, allein auf dem Ozean zu sein. Einerseits beängstigend, weil man durch muss und es kein Entrinnen gibt, andererseits aber auch verdammt schön! Wenn nur das Wetter besser wäre. Und dann meldet sich Delta Papa Null Sieben wieder und ich verstehe, was ich in den Weltumsegler-Büchern las: Die andere Stimme im Funk, die ich ja prinzipiell auch erreichen kann, wird sowas wie eine Verbindung zum Land, durch die man sich heimisch und irgendwie beschützt fühlt. Die Sendung wird zum Tagesereignis.
Nachdem über weite Strecken dieses längsten Abschnittes unserer Reise kein Land zu sehen war, kommen nun endlich die drei Hochhäuser von Burgtiefe auf Fehmarn in Sicht. Längst schon hab ich beschlossen, unser eigentliches Ziel Heiligenhafen nicht anzulaufen und stattdessen nach Burgtiefe in den Heimathafen auszuweichen und unsere Reise um einen Tag zu verkürzen. Ausgerechnet jetzt aber schläft der Wind ein. Ich starte den Motor, um die Reise nicht unnötig zu verlängern. Doch bevor ich Marschfahrt aufnehmen kann, müssen die Segel herunter. Das muss irgendwie allein gehen. Ich werfe den Autopiloten an und versuche das Schiff in den Wind zu stellen, allerdings bringt uns die fiese Kreuzsee immer wieder vom Kurs ab. Moli kann gerad noch schauen, dass bei meinem Manöver nichts mit mir schief geht, angeleint bin ich ja sowieso. Während das Boot wild hin und her schaukelt und in die Wellen stampft stehe ich an Deck am Mast und hole das Groß ein. Geschafft. Nun Heimatkurs Burgtiefe.
Nahe der ersten Fahrwassertonne wird die See ruhiger und Moli kommt langsam wieder zu sich. Ganz schlapp sind ihre Beinchen und ich werde ohne sie und ganz allein in die Box einparken müssen. Ich erinnere mich an die zahlreichen Forenbeiträge, die ich zum Thema „Einhand einparken“ gelesen habe und bereite alles vor. Eigentlich gibt es nur einen (wichtigen) Unterschied zur normalen Vorbereitung: Die Achterleinen belege ich bereits auf die geschätzte und benötigte Länge und lasse sie nicht, wie bisher, einfach an der Klampe mit maximaler Länge gesichert. Das könnte man eigentlich standardmäßig so machen. Der Anleger gelingt Einhand perfekt. Und nun kümmere ich mich nur noch um Moli, die warm verpackt unter Deck soll, Heizung auf Maximum, warme Suppe gekocht und schwuppdiwupp, ihr geht’s schon viel besser und sie kann schon wieder scherzen.
Somit wurde der letzte Tag zum Höllentrip, für den einen wegen der Seekrankheit, für den anderen wegen der Angst um den anderen. Dennoch war es eine beeindruckende Erfahrung, das erste Mal in meiner Seglerkarriere kein Land mehr zu sehen. Beeindruckend fand ich auch, wie ich in der Lage war, vollkommen allein das Schiff zu kontrollieren und sogar einzuparken. Man lernt doch dazu, auch wenn man noch weit davon entfernt ist, ein guter Seemann zu sein. Vor allem aber freu ich mich, dass es Moli auch überstanden hat und ihr es inzwischen viel besser geht!

Mittwoch, 11. August 2010

Timmendorf

7:45 – Auf Kapitän Diezel ist Verlass und wir werden wach. Das Wetter ist heut nicht so entscheidend. Geplant ist nur ein ganz kurzer Törn nach Timmendorf auf Poel. Das sind etwa acht Seemeilen – circa zwei Stunden Fahrt.
Es gibt zwei Gründe für diese Entscheidung. Nummer eins: Von Wismar haben wir am Vorabend nur wenig gesehen. Wir wollen uns noch etwas Zeit nehmen, um uns die Stadt noch etwas anzuschauen. Nummer Zwei: Timmendorf klingt schön und idyllisch, der Hafen aber ist klein und eng, auch ein Grund, warum wir das Anlaufen am Vorabend nicht umgesetzt haben. Wir wollen schlicht und einfach früh da sein und das kann man nur mit einem kurzen Törn realisieren. Oder mit noch früherem Aufstehen. Und da ist meine Meinung ja hinlänglich bekannt.
Nachdem wir uns also Wismar angeschaut haben, Shoppen waren und uns mit neuen Regenschirmen eingedeckt haben, heißt es Leinen los nach Timmendorf. Der Wind blies recht stark und schon im Hafenbecken konnten wir die Segel setzen. Wir nehmen berauschende Fahrt auf. Ein Segler kreuzt die SeeSchiffStr. und wähnt sich im Vorfahrtsrecht. Bei uns wird es nur eng, beim hupenden Motorboot hingegen richtig eng, und der Segler hat überhaupt kein Verständnis für dessen Warnsignal und keift ihn sogar noch an. Dabei ist der Fall klar: Die einzige Vorfahrtsregel der Schiffahrt greift hier, der kreuzende Segler muss allen ausweichen, die der Seeschifffahrtsstraße folgen. Die Verkehrsregeln scheinen nicht allen Seglern geläufig zu sein.
Zwischenzeitlich wird der Wind so stark, dass ich nun doch beschließe, deutlich gemächlicher und nur unter Fock mit immer noch 4,5 Knoten Fahrt dahinzugleiten. Moli steuert! Und nach weniger als 1,5 Stunden unter Segel rollen wir auch schon wieder alles ein. Ich mache die Leinen und Fender klar zum Anlegen.
Für den heute anliegenden Südwest sagt der Hafenführer nichts Gutes. Ungemütlich kann es werden, weil so der Wind genau in den Timmendorfer Hafen drückt. Und tatsächlich: Im Hafen finden wir ordentlich Welle. Im geschützten Bereich ist schon kein Platz mehr. Und ich werde nicht gegen, sondern mit dem Wind anlegen müssen. Der Anleger gelingt, wenn ich auch wegen des Rückenwindes etwas zu schnell in die Box einfahre. In jedem Fall sieht es aber bei uns wesentlich professioneller aus, als bei vielen nach uns eintreffenden Booten. Das war letztes Jahr noch ganz anders.
Nach einem sintflutartigen Regenschauer wandern wir durch das Dorf und ich gehe sogar noch einmal am herrlichen Strand von Timmendorf baden. Nicht zu verwechseln mit dem Ort Timmendorfer Strand, der in der Lübecker Bucht liegt. Abends gehen wir Essen und lassen uns danach von den Mücken zerstechen. Nicht so romantisch.

Dienstag, 10. August 2010

Planschen im Meer am schönsten Tag

Heute soll laut Delta Papa Null Sieben der schönste Tag der Woche werden. Wir diskutieren kurz, ob wir in Travemünde bleiben und einen Badetag einlegen. Andererseits verspricht der Törn gerade auch bei diesem Wetter ein Hochgenuss zu werden. Wir entscheiden uns für das Auslaufen Richtung Wismar. Sollte die Strecke zu lang werden, wollen wir in Timmendorf auf Poel einen Stop einlegen.
Der Ableger gelingt nicht ganz perfekt. Vorne bleibt die Leine hängen, weil sich ein Kneuel gebildet hat und so ein dicker Knoten an der Klampe an Land hängt. Da uns keiner hilft, müssen wir wieder rein und das Unheil beseitigen. Beim zweiten Mal gelingt alles perfekt. Moli macht es sich unter Deck gemütlich und so fahre ich unter Autopilot aufs Meer hinaus und klariere dabei das Schiff auf und mache alles klar zum Segelsetzen. Und siehe da, auch das Segel setzen gelingt perfekt, auch ganz ohne Hilfe. Mit so einem Autopilot kann man vieles Einhand machen, bemerke ich. Eine gute Entscheidung, den Autopiloten als Entscheidungskriterium bei der Schiffswahl aufgenommen zu haben. Erst recht bei den späteren Erlebnissen…
Wir kommen mit vier, fünf Knoten gut voran und spielen unterwegs unser neues Spiel, während uns Kapitän Diezel mal wieder mit neuesten Wetterinformationen versorgt. Auf halber Strecke dann legen wir einen Badestop ein. Das Boot driftet so dahin, und ich tapse ganz vorsichtig ins arschkalte Wasser. Erstmal drin ist aber alles halb so schlimm – aber komisch ist es schon, wenn man so gar keinen Grund unter den Füßen hat, auch nicht in erreichbarer Nähe. Wie es wohl auf dem Ozean mit viertausend Meter Wassertiefe ist? Nachdem ich noch ein paar Köpfer vom Boot gemacht habe, schaffe ich es auch, Frostbeule Moli zum Baden zu überreden. Auch sie hat – nachdem endlich die Sonne wieder hervorguckt - mächtig Spaß und ist nach einer Runde ums Boot mächtig erschöpft. Ich konzentriere mich unterdessen auf die fotografische Dokumentation dieses Ereignisses, nachdem Moli bereits über die Erpressungsmöglichkeiten auf Facebook der mit den ihrerseits gemachten Fotos von mir sinnierte. Danach trocknen wir an Deck beim Autopilot, während ich schon die Segel für den Kurs Wismar getrimmt habe. Ich sitz ganz vorn auf dem Schiff und schaue wie ein Leuchtturm umher und bin einfach nur glücklich. Das ist dann irgendwie so wie das Segeln, wie man es aus den Filmen kennt….
Vor Poel sind ein paar Untiefen und man soll dem Fahrwasserverlauf folgen. Dummerweise geht der genau gegen den Wind. Ich hole das Laken herunter und werfe mal wieder den Motor an. Unter Autopilot wandere ich immer wieder vom Bug bis zum Heck und freu mich wie wir durch das Wasser pflügen. Moli schläft dabei ganze zwei Stunden bei hämmernden und lautem Motor.
Inzwischen ist es nach 19 Uhr und wir sind die einzigen draußen. Wismar liegt vor uns. Wir machen im Kai am Alten Hafen fest, hinter ein paar Traditionsseglern und wohl an jenem Kai, an dem auch Lüchtenborg zu seiner Weltumseglung aufgebrochen ist. Nach einem perfekten Anleger stellen wir aber fest, dass kein Strom vorhanden ist, der liegt an der anderen Seite des Kais. Also nochmal ablegen und rüber. Dabei gelingt ein nicht ganz so perfekter Anleger. Aber Ende gut alles gut.
Nach einem Spaziergang durch die wie ausgestorben wirkende, aber schöne Altstadt Wismars kehren wir in ein wirklich vorzügliches Fischrestaurant ein. Es ist das dritte oder vierte Mal, dass ich diesen Urlaub Fisch esse. Seelachsfischbrötchen, Dorsch und Seelachsfilet standen bisher auf der Speisekarte. Und es schmeckt! Vom Ich-Ess-Keinen-Fisch-Micha fast schon keine Spur mehr.

Montag, 9. August 2010

Krieg!

7:45, UKW-Kanal 24: Zunächst läuft eine nach C64 oder Amiga klingende Version von Bachs Menuett „Klavierbüchlein für Anna Magdalena Bach“ aus dem Seefunk-Lautsprecher. Dann legt ziemlich laut drei Mal eine Stimme nach: „Delta Alpha Alpha Sierra“ – das ist das Sammelrufzeichen für alle Seefunkstellen. Delta Papa Null Sieben, so das Rufzeichen des Absenders, ist niemand anders als Kapitän Diezel und sein Küstenfunk. Gesendet wird hier heute keine Seenotmeldung, sondern der aktuelle Seewetterbericht. Seine Stimme und die Melodie klingt für uns schon am dritten Tag sehr vertraut – und seine Sendungen strukturieren den Tagesablauf vom Aufstehen bis zum ins Bett gehen. Später finde ich im Netz die Berichte vieler Segler, für die die Melodie und die Stimme von Kapitän Diezel unverwechselbar für den Bootsurlaub im Sommer stehen.
Auch bei uns hinterlässt er seine Spuren und ich höre manchmal auch nach dem Urlaub im Internet-Livestream mit (http://dp07.com/). Besonders schön ist eigentlich die große Konferenz nach dem Wetterbericht, wenn Schiffe der gesamten deutschen Seeküste miteinander sprechen. Vor allem abends scheint der ein oder andere Segler auch etwas betrunken zu sein und erzählt Kauderwelsch. Das ist leider nicht online nachzuhören.
Wir starten mit dem Frühstück an Bord. Leider nicht an Deck, da es zu frisch erscheint. Allerdings ist draußen herrliches Wetter mit blauem Himmel und Sonnenschein. Da bekommt man richtig gute Laune.
Nach dem Auslaufen (und dem perfekten Ableger) stellt sich heraus, dass der angekündigte Westwind real ein Südost ist. Dummerweise liegt unser Ziel Lübeck genau in Südost. Das bedeutet: Kreuzen. Anfangs ist noch guter Wind und wir kommen gut voran. Ich schiesse ein paar Bilder vom Schönwettersegeln. Moli am Steuer.
Der Wind flaut ab. Mitten in der Lübecker Bucht herrscht nun auf einmal Krieg und wir werden Zeugen, wie in Deutschland sinnlos Steuergelder vergeudet werden. Zwei Militärschiffe sind auf See und stellen wohl einen Luftangriff nach. Ein Tiefflieger rauscht immer wieder in Masthöhe übers Meer und die Kriegsschiffe stellen wohl Abfangmanöver nach. Man hört Schüsse. So geht das stundenlang. Zur Sicherheit schaue ich noch einmal in die Karte, ob wir (und auch die anderen Segler) auch wirklich kein Schießgebiet durchfahren. Ich stelle fest: Alles prima – und hoffe auf Platzpatronen. Etwas befremdlich ist es aber schon, wenn so ein Militärjet aus den Wolken im Sturzflug auf einen zukommt und erst kurz über dem Boot wieder nach oben zieht.
Als unsere Fahrt um 16 Uhr – noch viel zu weit weg von Travemünde – auf unter 2 Knoten fällt, werfe ich den Motor an. In Travemünde dann ist der Wind auf einmal wieder da. Keine Ahnung warum er sich heut nicht entscheiden kann. Es ist schon spät und so beschließen wir, in Travemünde zu bleiben. Außerdem liegt Lübeck gut auf dem Heimweg, da wollen wir bei der Rücktour lieber mit dem Auto noch einmal Halt machen, als die jeweils 2 Stunden Hin- und Rückfahrt auf der Trave zeitlich zu vergeuden. Und Travemünde soll auch ganz toll sein. Es gelingt ein perfekter Anleger. Naja, nicht ganz perfekt. Um ein Abbrechen der Fahnenstange zu vermeiden, will ich sie aus der Befestigung lösen – die Fahnenstange geht nämlich gern kaputt, wenn sie an einen Dalben kommt. Dummerweise ist das Holz morsch und es passiert genau das, was ich vermeiden wollte. Die Stange bricht unten an der Befestigung ab. Aber das kann man reparieren.
Abends schauen wir uns die Stadt an, gehen auf die Mole, gehen Essen und naja, hätten von Travemünde etwas mehr erwartet. Beeindruckend war es, im Hafen immer wieder die großen Fährschiffe vorbeifahren zu sehen. In der Nacht wurden wir einige Male von deren Schraubenrasseln wach, wenn die sieben- bis zehnstöckigen Hotels auf das offene Meer herausfuhren.

Sonntag, 8. August 2010

Aufbruch im Regen und in die falsche Richtung

Kurs 315°. Das ungefähr ist die Richtung, in die wir fahren müssen, um nach Dänemark zu kommen. 315°, das ungefähr ist die Richtung, aus der heut Morgen der Wind weht. Blöder Petrus. Ich sitze vor der Karte und überlege, wie dicht ich an den Wind heran müsste, um doch noch und nur mit einem kleinen Kreuzschlag das Ziel zu erreichen. Nach ein paar Minuten überlegen und einer Schätzung der Fahrtzeit unter günstigen Bedingungen von zehn Stunden leg ich das Kursdreieck beiseite und erkläre Dänemark für gestorben. Gegen den Wind ist die Strecke ganz einfach zu weit. Stattdessen wähle ich Grömitz als erstes Ziel und damit die Lübecker Bucht als Fahrtgebiet – Dorthin kann uns der Nordwest gut Raumschots schieben. Und man kommt bei fast allen Winden hin und auch wieder zurück. Und es gibt keine mörderische erste Etappe.
Der Ableger gelingt auch unter den kritischen Augen unserer Liegeplatznachbarn perfekt. Die Erfahrung, Ausbildung und das eigene Boot haben sich eben doch bezahlt gemacht. Moli scheint es am Steuer richtig Spaß zu machen, als Sie uns aufs offene Meer zufährt, während ich die Segel klarmache.
Dann das erste Mal hoch mit allem was wir haben. Anders als bei allen anderen Booten, die ich bisher gechartert oder in der Ausbildung gefahren habe, geht das Groß endlich mal per Hand und ganz leicht hoch. Eins fix drei stehen die Segel ohne Winschen und der Motor ist aus. Grömitz, wir kommen!
Was nun allerdings einsetzt ist Dauerregen und eine Temperatur, die nicht für alle an Bord erträglich ist. Der Wind dreht dazu auf Südwest und nur ganz knapp können wir hoch am Wind den Kurs auf Grömitz halten. Ich denke mir so, dass wir bei diesem Wind auch wunderbar nach Dänemark hätten fahren können. Gleichzeitig bin ich froh, dass unser Ziel nur noch 15 Seemeilen entfernt liegt, sodass wir noch halbwegs pünktlich ankommen. Unsere Abfahrt jedenfalls hatte sich stark verspätet, weil ich mich noch mit den Geräten vertraut machen musste.
Gegen 20 Uhr laufen wir endlich in Grömitz ein. Nicht ein freier Platz im Hafen! Verzweifelt legen wir in einer Box an, die eindeutig mit Rot gekennzeichnet ist. Das heisst so viel wie, dass dort ein fester Mieter liegt, der gerade nicht da ist. Wir hoffen einfach drauf, dass heute Nacht keiner am Boot klopft und uns freundlich oder auch weniger freundlich zum Verlassen des Platzes auffordert. Nach unzähligen (perfekten) Wenden auf engstem Raum im Hafen gelingt der erste Boxenanleger perfekt.
Moli ist völlig durchgekühlt und ich kümmere mich erstmal darum, sie warm zu bekommen. Gott sei Dank hat das Boot eine Heizung – Die Aufnahme der Heizung als Auswahlkriterium hat sich somit bezahlt gemacht. Später versuche ich noch den Hafenmeister zu erwischen, doch der hat längst Feierabend. Auf dem Weg entschädigt aber ein wunderschöner Sonnenuntergang die Strapazen. Und Moli ist glücklich, weil ich mit Netbook und DVB-T-Stick den Tatort auf den Bildschirm bekomme.

Samstag, 7. August 2010

Endlich wieder ans Meer – Die Anreise

Theoretische SKS-Ausbildung im Winter. Eigenes Boot im Wasser im Frühjahr. Praxistörn ebenfalls im Frühjahr. Und nun endlich wieder Bootsurlaub! Es geht Schlag auf Schlag in meiner Seglerkarriere, auch wenn ich viel zu spät damit angefangen habe!
Gebucht habe ich den Kahn dieses Jahr allerdings erst etwa vier Wochen vor dem Törn. Zu lange war unsicher, ob überhaupt Zeit und Wille für das diesjährige Projekt vorhanden war. Und so fehlen die sechs Monate, die man sich üblicherweise auf so ein Ereignis freuen kann – Reisen lange im Voraus planen und die damit verbundene lange Vorbereitungsphase können den Alltag doch sehr versüßen.
Gebucht habe ich am Ende ein Schiff, das schon etwas in die Jahre gekommen ist. Eine Bavaria 890, 9 Meter lang und fast 30 Jahre alt sollte eine Woche lang die Heimat für Moli und mich werden. Wichtig waren mir Ausstattungsmerkmale wie ein Einleinenreffsystem, Autopilot und Heizung. Das geplante Ziel: Dänemark.
Kurz vor der Reise habe ich schließlich doch noch zwei Dänemark-Reiseführer erstanden, um etwas Vorfreude zu erzeugen. Einen Reiseführer für die See und einen für das Land. Aber irgendwie blättere ich nur recht selten darin herum.
Einen Tag vor Anreise rufe ich den Eigner an und frage ihn, wie das mit der Übergabe ist. Es stellt sich heraus, dass wir das Boot schon am Samstag Vormittag und eben nicht Nachmittag übernehmen können. Einen Tag gewonnen.
Jedoch sind wir am Anreisetag so fertig, dass wir ein Auslaufen von Burgtiefe auf Fehmarn nach Heiligenhafen dann doch nicht bereits am ersten Tag umsetzen. Stattdessen lassen wir uns am Südstrand die Sonne auf die Nase brennen, gehen baden und können nicht genug von diesem herrlichen Quark an der Quarkeria bekommen. Meine Empfehlung: Orangenquark mit Obstsalat.

Freitag, 6. August 2010

Dienstag, 20. Juli 2010

Wind und Welle

Eigene Fotos hatte ich auf der Nordsee nicht gemacht. Aber die Crew hat ein paar rumgeschickt. Hier war es ganz schön windig und wellig, die für mich bisher extremste Segelerfahrung. Ich freu mich auf den Segelurlaub diesen Sommer und hoffe, dass nichts dazwischen kommt und hoffe für meine Crew, dass das Wetter nciht ganz so mies wird wie bei der Ausbildung!

Donnerstag, 10. Juni 2010

Jungfernfahrt mit Geli

Eigentlich war der Plan, das Boot möglichst früh in diesem Jahr ins Wasser zu lassen. April und Mai haben bereits wunderbare warme Tage, an denen man herrlich segeln kann. Einen Strich durch die Rechnung machte mir nicht nur meine enge Zeitplanung, sondern vor allem auch „Jack“, wie ich mal meinen „Johnson“ 4PS Außenborder mal nennen will. Der nämlich wollte nicht anspringen uns bescherte mir saftige Rechnungen: Für die Marina, weil ich nicht wegkam und für den Arzt für Jack.
Das bitterste aber war, dass ich Geli quasi den gesamten April und Mai nicht nutzen konnte. Die wenigen Wochenenden, die sowohl vom Wetter als auch von meinem Zeitplan her zum Segeln taugten, fielen aus, weil ich mich ohne Motor und ohne die Segel auch nur einmal getestet zu haben nicht allein auf das Wasser getraut habe. Schon das Navigieren in der Marina allein mit dem Paddel war mir zu risikoreich, da die Gassen eng und die Boote teuer waren. Als Papa dann paddeln helfen wollte, war der Wind viel zu stark. Im Nachhinein eine gute Entscheidung, dass wir es sein gelassen haben. Inzwischen weiß ich wie stark man paddeln muss um den Kahn zu bewegen. Wir hätten keine Chance gehabt und wären voll ans Land oder andere Boote geknallt.
Irgendwann Ende April war es dann endlich soweit: Der Motor funktionierte zwar immer noch nicht, aber um Kosten zu sparen wollte ich endlich rüber zum Liegeplatz, gerade weil auch eine Woche SKS-Törn anstand, in der ich nichts machen konnte. Der Plan: Morgens vor der Arbeit den Kahn rübersegeln. Moli hat geholfen. Gott sei Dank, denn es war quasi Windstille. Aus dem Segeln wurde Paddeln. Und für den einen Kilometer haben wir gute drei Stunden gebraucht. Spaß hat es dennoch gemacht.
Irgendwann im Mai dann war endlich auch Jack repariert. Und Ende Mai nach vielen stressigen und belegten Wochenenden rund um eine große Feier bei Moli war endlich Platz für die Jungfernfahrt. Ideale Windverhältnisse, nicht zu stark, aber ausreichend zum Fahren. Moli am Steuer – und es schien ihr richtig Spaß zu machen. Vor dem Grunewaldturm wurde geankert (Hurra, einen Anker habe ich auch an Bord gefunden!) und das schöne Wetter genossen. Und erst mit dem Sonnenuntergang sollten wir an diesem Tag wieder den Liegeplatz erreichen. Das Anlegen klappte erstaunlich gut – Dank dessen, was ich im SKS-Törn gelernt habe.
Jetzt im Juni, wo wieder viele Wochenenden belegt sind, habe ich einfach mal einen Tag in der Woche frei genommen, als das Wetter ideal war – und ich habe etwas für mich heftiges gewagt: Ich bin ALLEIN rausgefahren. Wenig Wind am Liegeplatz vermittelte mir die Sicherheit, das tun zu können.
Das Ablegemanöver war doch von größeren Ängsten gekennzeichnet. Der Wind kam von vorn und ich musste doch vorn zuerst losmachen. Dabei ist die Luvleine doch die letzte, die man losmacht. Gelöst habe ich das Problem mit Vorwärtsschub, sodass meine Achterleine zur Quasi-Luvleine wurde.
Das Segelsetzen war auch eine Herausforderung, klappte aber erstaunlich gut. Der Motor hält gut den Kurs mit etwas Gas ohne dass jemand am Steuer sitzt. Wenn der Wind schwächer ist schafft man es bequem, das Segel zu setzen.
Dann folgte entspanntes Einhandsegeln. Auch wenn ich ziemlich langsam unterwegs war, war es dennoch einfach nur schön. Ich rief beim Segeln Papa an, um von meinem Erfolg zu erzählen.
Am Grunewaldturm wurde der Wind aber auf einmal heftig böig. Viele Boote hatten 45° Krängung und ich mit meinem kenterbaren Jollenkreuzer nur noch Schiss. Ich ging auf Raumwindkurs und suchte eine windgeschützte Stelle zum Segelbergen und Ankern.
Als der Anker gefallen war machte ich mich mit der Funktion der Badeleiter vertraut. Herrlich warm das Wasser! Ich hatte tierisch Spaß. Aber irgendwie wäre es zu Zweit deutlich schöner gewesen!
Nun folgte noch das Anlegemanöver, vor dem ich große Angst hatte so ganz allein. Aber ich erinnerte mich an Jörgs Worte, der uns beibrachte, alles mit nur einer einzigen Leine zu machen. Und siehe da: Es funktioniert! Man braucht nur die achterne Luvleine und kann sich dann entspannt um alle anderen Leinen kümmern.
Jetzt bin ich ein echter Kolumbus auf der Havel!

Immerhin überlebt!

Zum tagtäglichen Davonträumen zählt für mich auch das Verfolgen einiger derer, die zumindest teilweise meinen Traum leben. Zweien ist jetzt der der BGAU passiert, der „beinahe“ größte anzunehmende Unfall.
Immer jünger werden die Weltumseglerinnen, die derzeitige Rekordjägerin hat es im indischen Ozean getroffen. Neun Meter Welle haben den Mast zerlegt, das EPIRB wurde wohl aktiviert, aber Mrs. Sunderland geht es gut.
Eigentlich hab ich immer gesagt, dieses EPIRB dient nur als Anzeige für die Angehörigen, dass man mit Sicherheit tot ist. Aber klar, wenn die Wellen die Takelage, alle Wanten und Stagen und Antennen wegsäbeln, dann ist da nichts mehr, mit dem man funken kann. Das EPRIB kann in so einem Moment recht hilfreich sein, wenn kein Satellitentelefon an Bord ist.
Mehr getroffen hat mich das Schicksal von Bernt Lüchtenborg, dessen Havarie mich am selben Tag wie das der Mrs. Sunderland über seine Homepage http://sail2horizons.com/ erreichte. Seit Monaten verfolge ich nun schon seine Reise in seinem Online-Blog. In seinem Buch bin ich eher ins Stocken geraten.
Ein Querschläger hat nach der erfolgreichen Kap Hoorn Rundung (im dortigen Winter!) sein Handgelenk verletzt und die Aries zerstört. Als es passierte war er gar nicht weit weg von der Position, bei der Johanna und Klaus, jene Protagonisten des fast wie eine Initialzündung wirkenden und mich fesselnden Buches zu ihrer Weltumsegelung, ihr Boot und ihr Leben verloren. In seinem Buch und auch bei seiner ersten seiner doppelten Weltumseglung hat Lüchtenborg auf Johanna und Klaus verwiesen, er kennt ihr Schicksal und denkt bei dieser Position wohl ganz natürlich an deren Schicksal.
Lüchtenborg hat sein traumhaftes Schiff an die Felsen des Beagle-Kanals verloren, nachdem der Wind zu stark für den Anker war und er versuchte das Schiff segelnd zu retten. Aber Gott sei Dank ist er wohlauf. Damit dürfte er allerdings einen Großteil dessen verloren haben, was Leben für ihn ausmachte, noch dazu der negative - wenn wohl auch selbst eingehandelte - Medienrummel. Ich habe großen Respekt vor ihm - egal wie viele Leute an Bord und wie viele Häfen er angelaufen hat - und habe gerade in den letzten Monaten oft darüber nachgedacht, dass wohl auch aus mir – wenn dann – eher einer dieser Einhandsegler (mit Ab-und-zu-Begleitung) werden wird, die irgendwie – wenn man den Büchern glaubt – spezielle und sonderbare Eigenschaften haben, die ich allerdings auch bei mir vorzufinden glaube.
Dennoch, einmal mehr sei ich gewarnt: Lass die Finger von diesem Kap Hoorn. Auch Skipper Jörg sagte: „Das mach ich nie wieder“. Ich will mein Leben nicht unnötig riskieren und hoffe, dass ich mich daran erinnere, wenn ich mal soweit bin, dass ich es theoretisch machen könnte. Kap Hoorn will ich mal sehen, die Antarktis auch, aber das soll nicht auf eigenem Kiel und auf gar keinen Fall allein sein.

Sonntag, 9. Mai 2010

SKS Extrem-Törn nach England…

…so zumindest stand es in der Werbeanzeige, die mich zu Buchung des Törns überzeugt hat. Und letzte Woche war es endlich soweit: Ich packe meine sieben Sachen und fahre rüber nach Holland, um die Leinen los zu werfen für ein stürmische Fahrt durch den Ärmelkanal. 8 Windstärken werden während meiner Anfahrt im Radio angesagt. Ich habe Schiss! Habe ich mir doch zu viel vorgenommen?
Ankunft. Unser Crew ist ein bunt zusammengewürfelter Haufen unterschiedlicher Altersklassen, erstaunlicher Weise ist keiner von den Segel-Snobs dabei – alles pure Segelidealisten. Am Ende des Törns weiß ich, dass ich mit dieser Crew extrem Glück hatte!
Und dann der Skipper. Jörg heißt er und zählt nur die wichtigsten Dinge auf. Bei 100.000 Seemeilen hat er aufgehört zu zählen. Kap Hoorn hat er umrundet, die Welt mehrfach umsegelt, hat die großen Segelregatten dieser Welt mitgenommen und war bei jenem verhängnisvollen Rennen vor Australien dabei, als viele Yachten gekentert und viele Segler gestorben sind. Auch sein Boot warf es um und er überlebte in einer Luftblase im Schiff. Jörg ist ein echter Seebär und ich denke, ich kann einiges von ihm lernen.
Der Törn startet a
llerdings ganz anders als erwartet. Nach etwa 3 Seemeilen stellen wir einen Defekt in der Dieselleitung fest und müssen umkehren. Das Problem ist zwar schnell behoben, allerdings ist das notwendige ablaufende Hochwasser vorbei. Wir haben keine Chance mehr, rechtzeitig rauszukommen. Einen Tag später raus würde bedeuten, dass wir in einem Sturm mit 9 Windstärken geraten. Das will uns der Skipper dann doch nicht zumuten, auch wenn er unbedingt eine bestimmte Abbeize braucht, die es dort und nur dort in England zu kaufen gibt.
Wir sind uns schnell einig: Es muss nicht England um jeden Preis sein. Wir wollen lernen, mit dem Boot umzugehen, wollen auf die Nordsee, wollen den Tidenstrom erfahren und eine Nachtfahrt machen. Und neun Windstärken müssen nicht unbedingt sein, auch das meinen wir.
So fahren wir am ersten Tag auf dem Ijsselmeer herum, trainieren das Segel Setzen und Bergen, das Einreffen, das Ausreffen, das Wenden und das Halsen. Und bereits jetzt merkt jeder von uns, wo die Grenzen der eigenen Fähigkeiten liegen. Und ich lerne: Ich sollte aufhören, auf solchen Schiffen eine Halse wie auf einer Jolle zu fahren! Unglaublich welche Fehler ich gemacht habe. Nach einer Weile liegt der erste unter Deck und sorgt für Fischfutter! Am Ende des Tages fahre ich das Schiff, eine 38er Bavaria, in den Sonnenuntergang.
Nächster Tag. Frühes Aufstehen gehört zum Pflichtprogramm. Heute soll es raus gehen auf das Wattenmeer. Tide, Strömung, Versatz, enge Fahrwasser – es gibt viel zu beachten. Der Wind pfeift
ganz schön. Ein anderes Boot der Segelschule fährt nicht raus, zu stürmisch meint dort der Skipper. Aber Jörg ist anderer Meinung. Ziel ist dieses Mal eine Insel namens Texel. Für mich heißt das: Das erste Mal Schleuse fahren. Beim Anlegen stelle ich mich so richtig dumm an. So kommt es, dass ich von nun an alle Schleusen fahre.
Inzwischen h
ören wir von einem anderen Boot der Segelschule, die einen SSS-Kurs fährt, also einen deutlich höheren Schein zum Ziel hat, dass die Truppe bei Tonne Texel 1 umgekehrt ist – Texel 1 würde es immer entscheiden, lachen die Skipper. Es muss hart gewesen sein da draußen. Und mir wird klar, dass es vielleicht ganz gut war, nicht nach England gesegelt zu sein.
Raus auf dem Wattenmeer merkt man, wie groß der Unterschied ist zwischen Ijsselmeer und richtigem Meer. Wir haben Wind von achtern und üben das Halsen bis zum Gehtnichtmehr. Ankunft in Texel. Zur Belohnung kocht heute mal der Skipper – es gibt seine Spezialität: Labskaus, ein Seefahrergericht. Quer über dem Essen liegt ein extrem nach Fisch aussehender Fisch. Ha, und ich habe ihn gegessen, war gar nicht so schlimm. Matjes.
Am nächsten Morgen bläst immer noch ein stürmischer und kalter Nordwind. Aber Jörg will raus auf die Nordsee mit uns. Wir könnten auch zurück durchs Wattenmeer und Ijsselmeer. Aber er will unbedingt raus. Wir auch. Sieben bis acht Windstärken sind angesagt.
Anfangs geht es noch, doch mit der Zeit wird nach und nach den meisten schlecht. Das Labskaus kommt bei einigen zurück zu den Fischen. Die Seekrankheit macht sich breit an Bord und auch mein Magen signalisiert Unwohlsein. Wenn ich steuere, dann ist all das aber kein Problem. Die Wellen sind mittlerweile beachtlich – die anzusteuernde Hafeneinfahrt sehe ich nur, wenn das Boot oben auf einem Wellenberg ist. Jenseits dessen bin ich damit beschäftigt, fiesen Querschlägern auszuweichen.
Angekommen in IJmuiden geht es am nächsten Tag noch einmal raus auf die wellige Nordsee. Bei Seegang soll Manövertraining stattfinden. Das Arbeiten an den Winschen sorgt schnell für Übelkeit – auch bei mir. Irgendwann kehren wir um mit dem Wissen, wie weit unten unsere Grenzen lieg
en. Ich denke in Zukunft würde ich mit einer unerfahrenen Crew niemals mehr bei mehr als 5 Windstärken ausfahren.
Die anschließende Fahrt durch den Kanal nach Amsterdam und der Besuch der Stadt stimmt mich etwas melancholisch in Erinnerung an Vergangenes. Amsterdam ist immer eine Reise wert, die Grachten sind wunderschön. Aber das eigentliche Ziel ist für viele das Rotlichtviertel und die Kifferei – zwei Dinge mit denen ich reichlic
h wenig am Hut habe und die das Schöne der Stadt zerstören. Unsere Gruppe trennt sich und „meine Gruppe“ nimmt den Weg entgegen der Richtung zum Rotlichtviertel. Ich genieße mit den Jungs einen Café an einer der vielen Grachten. Schön!
Und wieder heisst es für mich: Schleuse - gleich zwei Mal hintereinander. Was dann folgt, ist die Nachtfahrt. Hier fahren wir gegenan und ich lerne zweierlei: Erstens, vor der Nacht muss ich keine Angst haben – im Gegenteil, es ist wunderschön durch einen Sternenhimmel zu segeln! Und zweitens bin ich irgendwann so müde, dass ich im Wiegen des Schiffes unter Deck einschlafe. Ein wunderbarer Schlaf. Ich kann also bei Fahrt unter Deck schlafen, eine wichtige Erfahrung, auch wenn der Seegang freilich gering war.
In der Nacht schließlich legen wir in Hoorn an, jenem Ort, nach dem auch Kap Hoorn benannt ist. Ein wunderschöner Ort. Mehr noch aber faszinieren mich all die Tiere: Im Hafen hüpfen überall Hasen herum, ebenso sind lauter Entenpaare unterwegs, die ihre frisch geschlüpften Küken beschützen. Und auch ein Fischreiher spaziert vor dem Fischladen herum und spekuliert auf Reste. Leider versaut mir ein Anruf von der Arbeit die Stimmung erheblich und ich freue mich bereits wieder auf See zu sein, um die Gedanken daran zu verdrängen. Draußen muss man einfach abschalten, weil man funktionieren muss.
Anschließend folgt noch einmal Manövertraining und die Überfahrt zum Prüfungsort nach Lelystad. Und wieder einmal heisst es: Micha ans Steuer, Schleuse! fahren! Die Prüfung gelingt schließlich – die Theorie hatte ich ja bereits einen Monat zuvor geschafft. Damit habe ich den nächsten Schein! Wie bereits bei der Theorie, so stellt sich aber auch nach bestandener Praxis kein Glücksgefühl ein. Seltsam. Anschließend segeln wir noch nach Enkhuizen, um unsere bestandene Prüfung bei Spare ribs unlimited zu feiern. Es wird spät an diesem Tag und nach nur 5 Stunden Schlaf brechen wir um 7 Uhr auf zum Heimathaven Stavoren auf.
Am Ende des Törns bin ich - wie alle anderen an Bord - total übermüdet und völlig fertig. Ein bisschen war das wie Armee. Jetzt bräuchte ich eine Woche Urlaub. Gelernt habe ich wahnsinnig viel auf diesem Törn. Nicht nur, wie man die Segel richtig setzt und wie man das Schiff besser einschätzt, wie man auf großen Schiffen Wenden und Halsen fährt und wie schwer das MOB-Manöver bei rauer See ist. Nein, viele Male wurde einfach auch herrlich gelacht. Skipper Jörg hatte viele Geschichten zu erzählen. Die Müsli-Schüssel wurde zur Weltkugel für die Wettererklärung, Feuerzeuge zu Schiffen bei der Erklärung von Hafenmanövern, Arme wurden zu Leinen um deren Wirkung zu erklären und das Bilgenbrett wurde zur Windsteueranlage. Bei all seinen Geschichten habe ich einfach nur zugehört und versucht, mir so viel wie möglich zu merken. Herrlich! Ich habe auch gelernt, wie man richtig die Leinen wirft, wie man sich nicht an der Winsch verletzt und mit welcher Technik man am besten an- und ablegt. Und auch, mit welcher Technik man sich diverser Körperflüssigkeiten bei Seegang sicher entledigt.
Aber ich habe auch meine Grenzen kennengelernt. Ob ich es um die Welt schaffen werde, weiß ich weniger denn je. Mir wird klar, wie gefährlich das Chartern im letzten Jahr war – mit einer viel zu minderwertigen Ausbildung. So ein SKS-Schein sollte die Basis für Charter-Segler sein. Inzwischen weiß ich aber auch, dass ich weiter an meinem großen Traum arbeiten kann, da bin ich mir sicher. Und auch was die Kostenseite angeht, meint Weltumsegler und Streuner Jörg, dass man mit geringeren Budgets ebenfalls ein gutes und sicheres Schiff bekommen kann. Skipper Jörg und seine Geschichten waren es also, die mich meinem Ziel ein Stück weit näher gebracht haben in einer Zeit, in der sich immer mehr Zweifel einschleichen.

Sonntag, 18. April 2010

Hurra, es schwimmt, verdammt – es fährt nicht!

Der Plan war straff: 7 Uhr aufstehen, 8:00 losfahren zum Winterlager des Bootes, 9 Uhr dort ankommen, bis 10 Uhr letzte Arbeiten am Boot machen und losfahren. Gegen 12:00 an der Marina ankommen, bis 13:00 warten, dann slippen. 14 Uhr Schlüsselübergabe zum Liegeplatz, 15 Uhr Termin mit dem Bootsbauer zum Maststellen.

In Wirklichkeit sah es dann so aus: 7 Uhr aufgestanden, brauchte aber noch etwas vom Segelladen und kam nicht dazu, es die Tage vorher zu besorgen. Der Segelladen macht erst 9 Uhr auf. Schnell noch eine Arbeitsemail klargemacht, komme erst 9:10 an, bin 9:22 wieder raus. Der Stadtverkehr ist dicht, komme erst um 11 beim Boot an und gegen 11:45 weg. Ankunft an der Marina 14:20: 20 Minuten zu spät für die Schlüsselübergabe, 1,5 Stunden zu spät zum slippen. Dann geht alles ganz schnell, der Kahn ist im Wasser und tatsächlich: Es schwimmt. Das Boot ist im Weg und soll woanders hin, ich werde rüber geschleppt, währenddessen kommt Papa an und staunt über den Kahn, den er sich allerdings etwas größer vorgestellt hat. Irgendwann kommt der Bootsbauer und zeigt mir wie man den Mast stellt, allerdings fehlt ein wichtiger Bolzen, der sich erst nach dem Mast Stellen anfindet. Als das getan ist, versuche ich den Motor in Gang zu bekommen. Bis auf ein paar „Keucher“ entschließt sich dieser jedoch, sich keinen Mucks zu bewegen. Die Zündkerzen kann ich nicht prüfen, da ich keinen Kerzenschlüssel habe, geschweige denn Ersatzzündkerzen. Inzwischen ist es 18 Uhr und somit auch der Bootsmotorspezialist im Wochenende. Nächste Chance: Montag.

Am Wochenende bekomme ich den Motor auch nicht auf Trab. Und mit nur einem Paddel traue ich mich nicht so richtig heraus. Ich beschließe den Montag abzuwarten und hoffe auf eine bessere Lage.
Aber immerhin: ich habe etwas Entscheidendes gelernt: Den Mast zu stellen und auch wieder zu legen war vergleichsweise einfach. Um nichts zu vergessen hab ich es mal aufgeschrieben:

1. Wanten anschlagen. Da ich vordere und achterliche Wanten habe, muss ich darauf aufpassen, welche Wanten ich wo anschlage. Die außen laufenden Wanten sind die vorderen. Ganz einfach also. Ich muss aber aufpassen: Die Drähte dürfen sich nicht verdrillen.

2. Wo ist beim Mast vorn und wo ist hinten? Nun ja, Vorne beim Mast ist dort, wo die Seitenträger nicht abgeknickt sind. Diese müssen vielmehr schräg nach hinten abgeklappt sein.

3. Den noch quer über dem Schiff liegenden Mast nach hinten (er ist achtern von der Badeleiter abgestützt) verlegen, sodass der Fuß am Stutzen ist.

4. Bolzen in die achterliche Halterung des Mastfußes einsetzen

5. Während einer in Position kurz vor dem Niedergang den Mast hochklappt, zieht der andere am Vorstag den Mast hoch. Dieser bewegt sich wie eine Tür in der Angel am Fixpunkt des eingesetzten Bolzens am Mastfuß. Das müsste eigentlich fast ganz allein gehen, da der Mast aufgerichtet seitlich durch die bereits angeschlagenen Wanten gehalten wird.

6. Der Mast steht nun, Vorstag wird festgemacht.

7. Nun wird das Achterstag festgemacht. Hierzu den Schäkel am Drahtseilende Backbords einrasten, dann Steuerbordschäkel (das ist der mit Flaschenzug am Seilende) setzen. Nicht zu fest ziehen!

8. Der Baum wird eingehangen, die Großschot fungiert als Dirk.

9. Gegen das Herumschleudern des Großbaums kann dieser mit einem dafür vorgesehenen Schäkel am Achterstag festgesetzt werden.

Klingt doch ganz einfach oder? Zum Mast legen müsste es dann genauso andersherum gehen.

Montag, 29. März 2010

Ein Kolumbus auf der Havel

In einem anderen Artikel der Kategorie „Wie alles anfing“ machte ich die Bemerkung, dass ich schon seit frühester Kindheit diesem Traum hinterherjage, dem Traum um die Welt zu segeln. Doch was ist nun der wirkliche Ursprung all dessen? Ein Großvater, der die Weltmeere unsicher machte? Das Familiensegeln mit meinen Eltern? Sehnsüchtiges Verweilen auf der Landkarte?
Nun ja, einen Großvater hatte ich nie. Und meine Eltern waren begeisterte Camper, hatten mit dem Segeln jedoch nichts am Hut. Meine Leidenschaft für Landkarten entdeckte ich erst so richtig im Geographieuntericht in der 3. oder 4. Klasse.
Nein, die Ursache für alles liegt vielmehr in einem Kinderbuch, das mir wahrscheinlich meine Eltern geschenkt haben, als ich vielleicht 7 oder 8 Jahre alt war. Viel jünger kann ich nicht gewesen sein, denn mit 7 bin ich in die Schule und erst dort habe ich das Lesen gelernt. Viel später kann es auch nicht gewesen sein, denn bereits mit neun Jahren habe ich mich als Ruderer versucht, obwohl ich doch damals eigentlich schon eben wegen dieses Buches Segler werden wollte.
Heute, wahrscheinlich um die 25 Jahre später, hab ich dieses Buch ein zweites Mal gelesen. Erinnerungen hatte ich dabei nur an wenige Details. Aber dem Zauber, den das Buch auf mich hatte, wollte ich noch einmal auf den Grund gehen.
Die Geschichte ist einfach: Papa Oskar und Tochter Nannerl planen die Revolution gegen die Mama, die im Urlaub immer nur in die feinen Hotels will. Dieses Mal setzen sich die beiden durch – Vom mühsam Ersparten wird ein Segelboot gekauft. Im nächsten Urlaub soll es auf die Müritz gehen.
Die Abenteuer sind zahlreich: Zunächst gibt es viel über das Segeln und die eigentümliche Seglersprache zu lernen. Der vermeintliche Klabautermann huscht nachts mit seinem Mantel über das Deck. Eine schlechte Dichtung sorgt für Wassereinbruch und Sinkgefahr. Der Archimedes, der Außenborder, muss repariert werden. Und eine Flaschenpost warnt vor einer tödlichen Gefahr. Schließlich muss jemand im Sturm auf der Müritz vor dem Ertrinken gerettet werden.
Ich habe keine Ahnung, warum ausgerechnet dieses Buch einen solchen Traum schon so früh auslöste…Vielleicht war es das Schwärmen für das Abenteuer großer Seefahrer, auf das man immer wieder im Text stößt. Vielleicht waren es die Schiffe aus Hamburg und das entfernte Amerika, wovon im Buch die Rede ist - für mich im Osten Deutschlands aufgewachsen damals unerreichbar und Fernweh auslösend. Vielleicht war es aber auch der liebevolle Grundriss des Segelbootes im Buchumschlag, der mich als Kind sehr faszinierte und über den ich stundenlang saß und mich davon träumen ließ, wie ich es mir in diesem Boot gemütlich machte. Sicher weiß ich dagegen eins: Seitdem ich dieses Buch gelesen hatte, zog es mich aufs Wasser. Und das sah damals so aus:
- Poesie-Alben waren zu dieser Zeit in Mode. Eine Ehre war es für mich, dort hinein bei ganz ausgewählten Freunden schon von der Weltumsegelung zu schreiben.

- Ein kleines Ruder-Schlauchboot diente mir im Campingurlaub an irgendeinem See in Tschechien zum stundenlangen Umhertreiben auf dem Wasser. Mit etwa 15 war ich wohl zu groß für dieses Schiff und habe es im Bassin meiner Eltern im Garten kaputt bekommen.

- Meine Eltern mussten mir unbedingt eine Wassersportkarte zu den Gewässern der DDR kaufen. Ich weiß noch wie ich in den Karten blätterte und meine Route klarmachte und mich wegträumte

- Tante Gretel aus dem Westen war immer besonders nett zu mir. Als kleiner Knirps saß ich irgendwann mal auf ihrem Schoß und berichtete stolz davon, dass ich sie ja mal mitnehmen kann auf meinem Schiff wenn ich groß bin.

- Ich wollte endlich auf Booten fahren. Papa wollte mich unterstützten und berichtete von seinem Arbeitskollegen, der nebenbei noch im Ruder-Club aktiv war. Fortan war ich im Ruderverein aktiv. Doch eigentlich wollte ich doch zu den Seglern – wohl auch deshalb war wohl mein Ruder-Engagement nicht besonders erfolgreich. Zu kurz, zu schmächtig, als Steuermann hat es am Ende gereicht, aber dazu hatte ich nicht das notwendige große und vor allem laute Mundwerk. Naja, und dann war da jener verhängnisvolle Tag, an dem ich bei einem Turnier den Vierer mit Siegchanche steuern durfte und auf dem Weg zur Startlinie einen Einer halbierte. Das war es dann mit der Karriere als Ruderer. Ich hab zwar noch etwas weitergemacht, aber mit diesem Ereignis wohl bereits innerlich abgeschlossen. Wer weiß, vielleicht wäre ich jetzt schon Olympiameister im Segeln, wenn Papa jemanden beim Segelverein gekannt hätte.

So viel zu den Kindheitserinnerungen. Und so viel dazu. wie sehr dieses kleine Buch mich schon als Kind beeinflusste. Und nun habe ich schon lauter Segel- und Funkscheine gesammelt, hab Rügen umsegelt, hab mir ein Boot gekauft und einen Extrem-Hochseesegeltörn gebucht. Und ich schreibe diesen Blog. Und bald werde ich selbst ein Kolumbus auf der Havel sein. Heftig, wie sehr Kindheitserlebnisse und ein kleines Büchlein prägen können.

Samstag, 13. März 2010

Falsche Adresse

Voller Vorfreude dackele ich an einem Samstag zum Segelverein meiner Wahl, der mir einen kostengünstigen Liegeplatz angeboten hat. Ich stehe am Steg und begrüße alle. Den Herrn, mit dem ich verabredet bin, kennt hier jedoch niemand. Und dann kommt da auch noch jemand, der verantwortlich ist für die Liegeplätze. Von meinem Anliegen weiß dieser Herr nichts und weist mich etwas barsch ab. Auch er kennt den Herrn, den ich gerade noch am anderen Ende der Leitung hatte, nicht.
Jetzt habe ich die Nase voll und rufe durch. Mein Gesprächspartner teilt mir mit, er sei am Steg. Auch ich bin am Steg, aber sonst niemand. Ich sage, also ich sei hier am **** Segelverein. Nein, ruft es am anderen Ende, wir sind doch der **** SegelCLUB. Alles klar!
Gott sei Dank ist es nicht weit. Auch wenn mein Boot nun im Stößensee und nicht in der Scharfen Lanke liegen wird. Das ist aber eigentlich auch fast noch besser, finde ich, nachdem ich die überaus netten Leute vom **** SegelCLUB kennengelernt habe.

Freitag, 19. Februar 2010

Ich gebe es ja zu, ich war schockiert, als ich von den monatlichen Liegeplatzgebühren in Höhe von 100-150 Euro pro Monat am Wannmeer erfuhr. Beinahe dachte ich schon, dass der Wunsch vom eigenen Schiff deshalb scheitern wird. Mit etwas Sturrsinn und nach intensiver Recherche bin ich nun jedoch fündig geworden und werde deutlich weniger als 100 Euro zahlen. Die Sache ist perfekt und ich liege ab April am Wannmeer gleich um die Ecke vom Ort meiner Ausbildung entfernt. Nagut, es ist nur die Scharfe Lanke, aber die ist fast noch besser. Und wie ich bei der Ausbildung gemerkt habe, ist dies der perfekte Schiffsliegeplatz in Berlin - gut erreichbar mit dem Auto und auch öffentlichen Verkehrsmitteln und an der Startpiste für die lange Gerade nach Süden - Ich freue mich resig auf den Sommer und auf die hoffentlich vielen Stunden auf dem Wasser.

Samstag, 30. Januar 2010

boot 2010

Dank der Sonderangebote bei verschiedenen Fluglinien war es mir geglückt, preisgünstig zur boot nach Düsseldorf zu fahren. Dies sind die Erlebnisse eines Menschen, der in seinen Träumen in Gegenden vorstößt, in dene nie zuvor ein Mensch geträumt hat. Wir schreiben Samstag, den 30.1. 2010 um
5:30: Der Wecker rasselt. Warum hatte ich eigentlich diese bescheuerte Idee, heute nach Düsseldorf zu fliegen. Sind ja doch alles bloß Boote, die ich mir wenn überhaupt erst in zehn Jahren werde leisten können. Aber gut, ich raffe mich auf, so ein Ausflug ist ja irgendwie auch Abenteuer. Dummerweise fährt die S-Bahn heute nicht bis zum Flughafen durch, dadurch muss ich eine halbe Stunde früher aufstehen
6:22: Pünktlich verlasse ich nach dem Frühstück und Duschen das Haus. Ich bekomme die S-Bahn um rechtzeitig am Flughafen sein zu können. Auf der Fahrt schlafe ich mehrere Male fast ein.
7:25: Ankunft am Flughafen. Ich stelle mich an den Sicherheitskontrollen an und denke mir, ich hätte mal früher kommen sollen. Es ist ganz schön voll. Als ich schon e
inige Minuten nach der eigentlichen Einstiegszeit endlich dran bin, kommt die verhängnisvolle Durchsage: Mein Flug hat eine halbe Stunde Verspätung. Dadurch gerät der Zeitplan wahrscheinlich aus den Fugen, da ich den Anschlussbus, der mich von der Ryanair-Interpretation eines Düsseldorf-Flughafens zur Messe bringt, verpassen werde.
10:30: Ankunft in Weeze. Der Flieger hat 1:10 Verspätung. Nicht nur der Bus ist weg, nein, auch mit dem Zug wird es knapp. Der fährt in 15 Minuten vom Bahnhof in Weeze. Der Shuttlebus fährt ein. Es strellt sich heraus, dass der noch 20 Minuten wartet. Der Taxifahrer erzählt mir was von 10 Minuten Fahrt. Zu spät. Ich schaff den Zug nicht und muss noch eine Stunde warten.
11:15: Ankunft in Weeze, Bahnhof. Ich hoffe auf ein Café in Weeze, denn mein Magen grummelt und verlangt nach Nahrung. Es gibt kein Café. Es gibt nichtmal einen Bahnhof, also mit Dach drüber und Heizung. Es gibt nichts. Ich gehe in die "Stadt", um eventuell einen Bäcker zu finden und mir die Zeit zu vertreiben und die Fü
ße warm zu halten. Ich finde auch einen Bäcker, bekomme aber nur ungläubige Blicke, als ich wegen fehlender belegter Brötchen wieder umkehre. Auf dem Rückweg zum Bahnhof spricht mich ein Dorfbewohner an: "Guten Morgen" - Blödes Dorf denke ich.
13:15: Düsseldorf, Messegelände: Boooooootteeeeeeee!
14:00 auf der Messe: Ich bin völlig überwältigt von der Vielzahl der Eindrücke. Die Yachten, die ich bisher nur aus den Segelzeitschriften kannte, standen auf einmal vor mir. Schiffe, bei deren Anblick ich von meiner großen Reise träume. Erst wage ich es gar nicht so recht, mir die Boote von innen anzuschauen, aber deshalb bin ich ja da sage ich mir irgendwann. Und dann entere ich alle Boote die mir gefallen. Von den großen Marken bin ich eher enttäuscht. Dufour, Bavaria...Es sind eben die "Golfs" im Yachtbau. Dass man eine Halberg-Rassy nicht schlecht finden kann, war nicht anders zu erwarten. Aber dass ich Hunter-Yachten gut und preisgünstig finde, ist großartig - mit diesen Teilen kann man durchaus ein passables Schiff zum günstigen Preis bekommen. Mein Lieblingsschiff wird eine Moody 45 classic, dicht gefolgt von einer Nauticat 441 und etwas später eine Sirius 35 DS. Alles in allem brauche ich 275-600 Tsd. Euro. Ich entschließe mich, mal wieder Lotto zu spielen.
16:00: Ich bin in Halle 6 und will noch einmal bei den Superyachten vorbeischauen. Dort erwartet mich jedoch ein seltsames Publikum. Die Besucher gehen größtenteils erhöht und außen in der Halle einmal herum. Auf den Booten sitzen Superreiche mit Verkäufern beim Champagner, während die verwöhnten Kinder auf dem Boot rumturnen. Manchmal begegnet man einigen dieser "höheren" Leute...sie pflegen es, einem keinen Blick zu würdigen. Ein ekelhaftes Publikum.
17:00 Zurück in den Segelhallen schaue ich mir noch einmal die von mir an der Ostsee oft beobachtete Haber 800 an - taugt nichts. Ein letztes Mal mache ich mich außerdem über die Moody 45 classic her, die es mir richtig angetan hat. Das dunkle Holz, die großen Räume...Toll!
Schließlich mache ich mich auf nach Köln, von wo aus mein 20 Euro Rückflieger startet. Mit Unmengen von Prospekten in der Tasche und völlig müde vom langen Tag freue ich mich darauf, noch etwas zu lesen und zu träumen. Der Flieger dreht eine eher unübliche Ehrenrunde über Berlin, ich genieße den nächtlichen Ausblick auf den Potsdamer Platz und den Alex. Auf der Suche nach einer guten Geschäftsidee zur Traumerfüllung verlasse ich in meinen Gedanken den Tag und falle zuhause in tiefen Schlaf.