Montag, 9. August 2010

Krieg!

7:45, UKW-Kanal 24: Zunächst läuft eine nach C64 oder Amiga klingende Version von Bachs Menuett „Klavierbüchlein für Anna Magdalena Bach“ aus dem Seefunk-Lautsprecher. Dann legt ziemlich laut drei Mal eine Stimme nach: „Delta Alpha Alpha Sierra“ – das ist das Sammelrufzeichen für alle Seefunkstellen. Delta Papa Null Sieben, so das Rufzeichen des Absenders, ist niemand anders als Kapitän Diezel und sein Küstenfunk. Gesendet wird hier heute keine Seenotmeldung, sondern der aktuelle Seewetterbericht. Seine Stimme und die Melodie klingt für uns schon am dritten Tag sehr vertraut – und seine Sendungen strukturieren den Tagesablauf vom Aufstehen bis zum ins Bett gehen. Später finde ich im Netz die Berichte vieler Segler, für die die Melodie und die Stimme von Kapitän Diezel unverwechselbar für den Bootsurlaub im Sommer stehen.
Auch bei uns hinterlässt er seine Spuren und ich höre manchmal auch nach dem Urlaub im Internet-Livestream mit (http://dp07.com/). Besonders schön ist eigentlich die große Konferenz nach dem Wetterbericht, wenn Schiffe der gesamten deutschen Seeküste miteinander sprechen. Vor allem abends scheint der ein oder andere Segler auch etwas betrunken zu sein und erzählt Kauderwelsch. Das ist leider nicht online nachzuhören.
Wir starten mit dem Frühstück an Bord. Leider nicht an Deck, da es zu frisch erscheint. Allerdings ist draußen herrliches Wetter mit blauem Himmel und Sonnenschein. Da bekommt man richtig gute Laune.
Nach dem Auslaufen (und dem perfekten Ableger) stellt sich heraus, dass der angekündigte Westwind real ein Südost ist. Dummerweise liegt unser Ziel Lübeck genau in Südost. Das bedeutet: Kreuzen. Anfangs ist noch guter Wind und wir kommen gut voran. Ich schiesse ein paar Bilder vom Schönwettersegeln. Moli am Steuer.
Der Wind flaut ab. Mitten in der Lübecker Bucht herrscht nun auf einmal Krieg und wir werden Zeugen, wie in Deutschland sinnlos Steuergelder vergeudet werden. Zwei Militärschiffe sind auf See und stellen wohl einen Luftangriff nach. Ein Tiefflieger rauscht immer wieder in Masthöhe übers Meer und die Kriegsschiffe stellen wohl Abfangmanöver nach. Man hört Schüsse. So geht das stundenlang. Zur Sicherheit schaue ich noch einmal in die Karte, ob wir (und auch die anderen Segler) auch wirklich kein Schießgebiet durchfahren. Ich stelle fest: Alles prima – und hoffe auf Platzpatronen. Etwas befremdlich ist es aber schon, wenn so ein Militärjet aus den Wolken im Sturzflug auf einen zukommt und erst kurz über dem Boot wieder nach oben zieht.
Als unsere Fahrt um 16 Uhr – noch viel zu weit weg von Travemünde – auf unter 2 Knoten fällt, werfe ich den Motor an. In Travemünde dann ist der Wind auf einmal wieder da. Keine Ahnung warum er sich heut nicht entscheiden kann. Es ist schon spät und so beschließen wir, in Travemünde zu bleiben. Außerdem liegt Lübeck gut auf dem Heimweg, da wollen wir bei der Rücktour lieber mit dem Auto noch einmal Halt machen, als die jeweils 2 Stunden Hin- und Rückfahrt auf der Trave zeitlich zu vergeuden. Und Travemünde soll auch ganz toll sein. Es gelingt ein perfekter Anleger. Naja, nicht ganz perfekt. Um ein Abbrechen der Fahnenstange zu vermeiden, will ich sie aus der Befestigung lösen – die Fahnenstange geht nämlich gern kaputt, wenn sie an einen Dalben kommt. Dummerweise ist das Holz morsch und es passiert genau das, was ich vermeiden wollte. Die Stange bricht unten an der Befestigung ab. Aber das kann man reparieren.
Abends schauen wir uns die Stadt an, gehen auf die Mole, gehen Essen und naja, hätten von Travemünde etwas mehr erwartet. Beeindruckend war es, im Hafen immer wieder die großen Fährschiffe vorbeifahren zu sehen. In der Nacht wurden wir einige Male von deren Schraubenrasseln wach, wenn die sieben- bis zehnstöckigen Hotels auf das offene Meer herausfuhren.

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