Samstag, 12. September 2009

Absegeln!

Eigentlich war der Plan, im Spätsommer noch einmal mit meinen Eltern über ein Wochenende per Boot auf Reisen zu gehen. Dumm nur, dass ich mit ihnen damals bei schwerstem Wetter auf einem kleinen Kutter nach Helgoland unterwegs war. Was wir damals erlebten, davon berichten wir heute - gut zehn Jahre später - immer noch wieder gern: Bei in Böen zweistelliger Windstärke wuchtete sich das Schiff durch die Wellen, immer wieder stürzte es in die Wellentäler. Aus dem Bullauge erblickten wir meistens nur Fische – und wenn es denn mal über Wasser war, regnete es Übelkeitsauswürfe von ein paar Wahnsinnigen, die sich bei diesem Wetter die Gischt an Deck ins Gesicht spritzen ließen.
Irgendwie jedenfalls hatten sie wohl ein mulmiges Gefühl – zu Recht, wie sich später zeigen sollte. Erstmal gemütlich auf einem See, das wäre vielleicht noch drin gewesen. Aber aufs Meer, worauf ich mich schon sehr freute, das ging nicht. Aber für ein Segelabenteuer findet sich schnell Begeisterung. Und so stand dem Törn in anderer Besatzung nichts mehr im Weg. Der Plan: Greifswald ist ein perfekter Ausgangshafen für einen Kurztörn übers Wochenende. Für jede Windrichtung und jede Vorhersage gibt es nämlich ein Ziel, das auch problemloses Zurückkommen ermöglicht.
Für unser Wochenende war Nordwestwind angesagt. Von den vielen Optionen entschieden wir uns für eine Überfahrt nach Lauterbach auf Rügen. 15 Seemeilen, auch wenn wenig Wind ist, sollte das zu schaffen sein.
Das Schiff: Die Caroline, eine Hanse 315. Sie war deutlich größer als das letzte Boot. Mir war etwas mulmig, ob ich mit diesem Boot klarkommen würde. Schon der Aufstieg war sehr beschwerlich und erforderte größten körperlichen Einsatz beim Erklimmen der Bordwand, die bestimmt 1,50 m hochragte. Eine Treppe? Gabs nicht!
Hinzu kam dickster Nebel – Bei Nebel würde ich nicht auslaufen, dachte ich mir. Schließlich habe ich keinerlei Erfahrungen mit Radargeräten. Um elf Uhr aber legte sich der Spuk und es konnte losgehen.
Ablegen. Die Erinnerungen an den l
etzten Törn machten mir große Sorge vor diesem Manöver. Timing ist so essentiell wichtig. Würde ich alles richtig machen? Vorderleine auf Slip gelegt, so weit wie möglich an Luv nach hinten ziehen, dann bereit machen zum rückwärts rausfahren, die Leinen lösen und ab geht’s. Das war der Plan.
Real sah das so aus: Die auf Slip gelegte Vorderleine war zu kurz, um Rückwärts in Reichweite des Boxenpollers zu kommen. Nach dem Lösen der achterlichen Luvleine, sofortiger Rückwärtsfahrt und dem Kommando „Leinen Los“ hingen wir an Lee noch immer an der Achterleine fest. Schöne Scheisse. Warum hab ich Idiot die nicht zuerst losgemacht? 3/4-quer in der Box hängend kann ich unter fieren der Leeleine das Schlimmste verhindern, komme aus der Box frei und lege mich quer an die achterlichen Poller zur Boxenbegrenzung. Nun in Ruhe die Leine losmachen und losfahren. Gerade noch einmal gut gegangen.
Dann hinter der Wiecker Brücke auf dem Meer. Segel setzen. Meine Besatzung reißt am Großfall mit allen Kräften, aber nichts tut sich. Ich kann es kaum glauben und zerre selbst an der Strippe. Nichts. Ich muss aufs Deck und nachsehen und
entdeckte fiese Halteleinen, die das Aufziehen des Groß verhindern. Weg damit, aber es geht immer noch sehr schwer. Die Ursache: Die Reffleinen sind noch drin. Raus machen, locker ziehen, Großfall immer wieder durchziehen. Irgendwann steht das Groß…nach gefühlten 60 Minuten. Und dann folgt Flaute.
Es ist ja ganz nett, bei absolut keinem Wind im Spätsommer ein paar Sonnenstrahlen abzubekommen, aber so gar kein Wind wird dann doch etwas nervig. Irgendwann reicht mir die Ruhe und ich schmeiße den Motor an. In etwas Entfernung habe ich so etwas wie Wind auf dem Wasser entdeckt. Und tatsächlich: eine kleine Brise wehte hier und bescherte uns rasche Fahrt.
Amwindkurs. Der Wind wurde immer stärker, die Wellen auch. Es kommt Bewegung ins Boot. Wir müssen kreuzen und die Windseite wechseln. Dann kommen die Wellen eher seitlich und noch mehr Bewegung im Boot ist zu erwarten. Gesagt, getan. Und tatsächlich fängt es jetzt richtig schön zu schaukeln an. So langsam wird mir auch etwas mulmig, denn der Wind wird immer stärker. Endlich sind wir lang genug quer gefahren, sodass ich den Kurs ändern kann. Dann wird die Genua reingeholt und nur unter Groß gefahren. Die Bewegung im Boot ist zurück gegangen, die Geschwindigkeit kaum.
Wir nähern uns Lauterbach und es wird merklich ruhiger. Segel bergen klappt auch bei etwas stärkeren Winden prima, nun das Schwerste: Einparken.
Ich suche einen Platz mit viel Freiraum nach Lee
, falls wir am Bug die Leine nicht herumbekommen und abdriften. Zunächst klappt alles prima. Die Achterleinen werden beidseits um die Poller geschwungen. Wir kommen super vorne an. Aber leider verfehlt die Vorderleine den geplanten Punkt. Wir hängen nach Lee quer in den Seilen. Wenigstens der Plan mit dem Sicherheitsabstand nach Lee zum nächsten Boot ging gut auf.
Beim Querliegen bin ich nicht schnell genug beim Belegen der Klampe und schon passiert es. Die Finger zwischen Klampe und Seil, das steifkommt. Es quetscht, es fließt Blut. Dazu noch ist an Lee die Leine im Wasser und droht sich um die Schraube zu wickeln. Schnell Leerlauf, Leine ins Boot. Und dann Eindampfen um die Nase herumzubekommen. Der Plan gelingt. Und andere Segler helfen uns beim Festmachen. Ich bin enttäuscht, dass ich es wieder nicht hinbekommen habe, aber immerhin ging der Plan zum Sicherheitsabstand gut auf.
Nun liegen wir im Hafen, gehen abends noch einen Trinken und sind fertig vom Tag. Es braucht nur ein kleines Bier um mich völlig betrunken zu machen. Ich ordere danach nur noch einen Kaffee. Ein wunderschöner Tag war das! Morgen allerdings sind 5-6 aus Nord angesagt. Böen bis 80km/h. Ich hab etwas Schiss.

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