Sonntag, 26. Juli 2009

Verflucht, sind das Wellen!

Um 8 Uhr morgens hören wir die ersten Segler nebenan ihr Boot klarmachen. Ich werde wach und bin aufgeregt und kann nicht mehr schlafen. Außerdem habe ich die Route noch nicht vollständig ins GPS eingegeben. Also raus aus den Federn nach der ersten Nacht an Bord.
Der Wind heult und Schlechtwetterwolken rasen auf uns zu. Der Wetterbericht gibt erst für den Nachmittag Entwarnung. Der Himmel sieht aber überhaupt nicht nach Entwarnung aus.
Nach dem ausgedehnten Frühstück kommt nun die offizielle Bootsübergabe mit dem Vercharterer. Alle Fragen und Funktionsweisen von Leinen, die ich nie zuvor gesehen habe, habe ich Gott sei dank am Vorabend mit Lars klären können. Also geht alles schnell und glatt über die Bühne. Wir müssen auch langsam los, wenn wir die nächste Brückenöffnung in Wieck mitnehmen wollen. Das erste Ablegemanöver mit einem Schiff, das gar keinen Außenborder hat, steht bevor. Radeffekt, Steuerwirkung erst bei der Fahrt…lauter Dinge die ich nur aus Büchern kenne und die ich jetzt erstmals spüren werde.
Ich versuche in die Vorspring einzudampfen. Es passiert nicht viel. Genaugenommen werden wir wieder vom Wind an den Steg gedrückt. Mit dem Bootshaken stoßen wir uns ab, vom schwachen Motor, wie sich der Vercharterer ausdrückte, spüre ich tatsächlich nichts.
Ziemlich unkontrolliert kommen wir frei und das Bug geht irgendwie am benachbarten Boot vorbei. Ganz langsam tuckeln wir aus unserer Parklücke.
Immer wieder denke ich mir, das kann doch nicht die Fahrt sein, die dieser Motor zustande bringt, das kann nicht alles sein. Macht so einen Lärm und nichts passiert. Nach 10 Minuten Fahrt beschließe ich, etwas mit dem Gashebel herumzuspielen.
Auf einmal ruckt es und wir kommen endlich in Fahrt. Ich meine, richtig in Fahrt. Was war passiert? Nun, meine nachträgliche Problemanalyse hat folgendes Ergebnis gebracht: Nicht der Motor bewegte uns die ganze Zeit, sondern es war der Wind der zufällig richtig wehte für unsere beabsichtigt Fahrtrichtung. Unser Motor war die ganz Zeit im Leerlauf. Entstanden ist dieser Fehler wegen dem roten Knopf am Gashebel – der war nämlich bei der Fahrschule dazu dar, den Gang hineinzulegen. Offenbar funktioniert bei der Momo der rote Knopf etwas anders…Egal was es war, die Momo rast mit 6 Knoten auf die Wiecker Brücke zu…
Wir sind viel zu früh da. Wir müssen noch einmal an der Hafenmauer festmachen. Mist, nach so kurzer Zeit gleich ein Anleger. Der gelingt interessanter Weise. Spannender ist es, dass wir sogleich wieder ablegen müssen und mit all den anderen wartenden Schiffen durch die gehobene Brücke wollen. Dabei kommt es fast zu Katastrophe. Ich bekomme wieder den Gang nicht ordnungsgemäß rein. Wir driften, dazu noch andere Boote im Weg…Beinahe Kollision. Alles gut, nochmal Glück gehabt. Dann tuckern wir rauf auf die Ostsee.
Hier spüren wir langsam den strammen Wind. Längst haben alle anderen Boote die Segel gesetzt und auch wir wollen es nun wagen. Wir lassen alle anderen vorbei sodass wir schön viel Raum haben, falls etwas schief geht. Wir schiessen in den Wind und setzen was wir haben. Zur Sicherheit reffen wir dabei gleich. Und dann geht’s los.
Wow, der Wind legt sich bei leichtem Amwind-Kurs in die Segel und zieht uns mit 6 Knoten aufs Meer. Die Wellen sehen gar nicht so hoch aus, aber sie verprügeln unsere Momo ganz gewaltig. Ich bin sehr angespannt – so viel Bewegung im Boot hatte ich noch nicht. So viel Krängung ebenfalls nicht. Das Boot schaukelt wie eine Nussschale. Nach einer gefühlten Ewigkeit sind wir draußen auf dem Meer bei der Greifswald-Tonne – unter Segeln eine Weltreise für mich. Und mit 5 Bft. ist das für mich auch quasi Sturm.
An der Greifswald-Tonne müssen wir etwas entscheidendes am Kurs ändern. Wir gehen auf Vorwind-Kurs und die Wellen stören nicht mehr so. Das Boot schaukelt zwar immer noch gut, aber erstens spürt man den Wind nicht mehr so stark (wegen dem resultierenden aus wahrem und Fahrtwind) und zweitens verprügeln die Wellen die Momo nicht mehr, nein, sie wiegen sie.
Doch dann passiert es: Der Wind dreht leicht, die Fock fällt ein, ich reiße zwar die Pinne noch zum Großbaum, aber es ging alles viel zu schnell. Ich rufe noch „Rund Achtern“ ziehe instinktiv den Kopf ein….ja Moment mal, warum ziehe ich bei diesem Schiff den Kopf ein, schließlich geht der Großbaum über meinen Kopf hinweg?! Es kann gar nichts passieren! In jedem Fall geht dadurch mein Kopf etwas nach vorn, genau in den Arbeitsbereich der Großschot, die sich bei der nun folgenden Patenthalse alsbald an meinen im Weg befindlichen Hals lehnt und diesen beherzt gegen die Bordwand quetscht. So fühlt sich also Strangulation an. Nun gut, Alles gut gegangen. Nur ne kleine Wunde am Hals.
Darum sind wir weiter angespannt. An Fotos denken wir in diesem Moment nicht. Schließlich liegen die Untiefen vor Usedom vor uns. Hier klappt aber alles reibungslos. Nur im Hafen von Kröslin verpassen wir die Marinaeinfahrt. Wir machen daneben fest, beim Bootsbauer….und blamieren uns mit unserem ersten Boxenanlegemanöver, nachdem wir fast auf Grund gesessen hätten. Aber man hilft uns und lacht nur innerlich über uns. Immerhin hat der Hafenchef Respekt davor, dass unser erster Ritt bei diesem Wind durch die Wellen ging. Die seien heute wirklich hoch gewesen, meint der Hafenmeister.
Geschafft! Überglücklich genießen wir in Kröslin die Abendsonne bei nunmehr 0 Bft.

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