2015 war alles irgendwie gewöhnlich und es hat nicht
wirklich alles so geklappt wie geplant. Deshalb habe ich bisher keinen
Törnbericht gemacht, es gab gefühlt kaum etwas zu erzählen. Was ich nicht ahnen
konnte war, dass es mein letzter Törn mit Papa werden würde. Und mit diesem
Wissen erscheint es mir nun etwas dumm, nicht sofort einen Bericht angefertigt
zu haben, einfach weil direkte Erinnerungen fehlen.
Zusammenfassend kann man diese letzte Woche mit Papa unter
Segeln wie folgt beschreiben: 5/7 der gemeinsamen Zeit war das Wetter zu schlecht
um größere Fahrten unternehmen zu können. Wir saßen im Wesentlichen in der Koje
und bauten die Lautsprecher ein und wollten den Herd reparieren. Dabei ging so
ziemlich alles kaputt was kaputt gehen konnte, unterm Strich mehr als wir
reparieren konnten. Als das Wetter endlich besser wurde, musste ich zurück nach
Berlin, der Arbeit wegen, ein völlig unnötiges Meeting wie ich aus der
Perspektive 2 Jahre später sagen kann. Die darauffolgende Woche war immerhin
gekrönt von zwei EInhandtouren durch die Nordsee. Aber der Reihe nach.
Es muss der 27. August gewesen sein. Ich kann es nicht mehr
richtig rekonstruieren, aber irgendwie war ich schon in Cuxhaven und hatte am
Boot gearbeitet. Ich war mit dem Auto da, das weiss ich noch. Ich glaube Papa
war wegen des alljährlichen Brüdertreffens in Potsdam erst etwas später soweit. Ich wollte
die Urlaubstage aber nicht vorbeiziehen lassen und bin deshalb direkt auf das
Schiff.
Ich habe vorab vor allem die Kuchenbude installiert, die das
draußen sitzen auch bei Regen ermöglichte. Papa hatte sich später sehr darüber
gefreut.
Dank Kuchenbude konnte man auch bei Regen draussen sein |
Papas Ankunft selbst war an einem Montag denke ich. Ich
erinnere mich noch, wie er mit seiner Tasche aus dem Zug stieg. Ja, er fuhr
Zug, ich hatte ihm das schmackhaft gemacht. Das wollte ich, weil ich einen
zunehmend schlechteren Fahrstil bemerkt hatte, Papa wurde alt. Es war klar,
dass der Tag kommen wird, an dem er nicht mehr Auto fahren konnte. Ich wollte
ihm die Vorteile des Zugfahrens zeigen um ihn auch im Alter mobil zu halten und
ich war sehr froh, dass er diese Option angenommen hatte. Als er dann so ankam,
strich mir in Cuxhaven eine Katze um die Beine, die ich dort schon öfter
gesehen habe. Wir sind dann direkt einkaufen gefahren und haben das Schiff
beladen. Ich meine wir waren an diesem Abend Essen, vorn an der Alten Liebe.
Das Bild wie er mir gegenüber saß und auch den genauen Platz, all das habe ich
noch genau vor Augen.
Unser letzter Besuch im Restaurant an der Alten Liebe |
Der nächste Tag, nunja, die Erinnerungen verschwimmen wenn
ich ehrlich bin... Es war schlechtes Wetter angesagt aber für den aktuellen Tag
ging es noch. Ich denke es kam zum Entschluss, etwas vor Cuxhaven zu kreuzen,
eine Testfahrt sozusagen. Der Wind war schon recht stark. Und nachdem wir das
Segel aufgeheisst haben passierte es: „Scheisse, da ist ein Riss im Segel“ rief
Papa, ich hätte es wohl gar nicht oder erst viel zu spät gesehen. Und in der
Tat, am hintersten Reffkausch war ein etwa 20 cm großer Riss im Segel. Ich
schätzte den Abstand zum Land ein, auf dass uns der Legerwall auftrieb,
gleichzeitig den Abstand zu den aufkommenden Berufsschiffen. Egal, es musste
sofort geschehen und nach nur wenigen Sekunden Bedenkzeit stellte ich das
Schiff unter Motor in den Wind und holte das Segel sofort herunter, das
natürlich wie wild killte. Ich sah keine Möglichkeit das Segel herunterzuholen,
ohne es killen zu lassen. Danke, Papa, Dein guter Blick hat wahrscheinlich Schlimmeres
verhindert. Und Dein Portemonnaie und der flexible Segelmacher haben unsere
letzte gemeinsame Zeit auf See später noch gerettet.
Nach gerissenem Großsegel nur unter Vorsegel bei der Pfeife |
Ich bin mir unsicher, denke aber dass ich noch einmal
mit dem Schiff umparken musste, weil ich zum Abnehmen des Großsegels den Wind von vorn haben
wollte. Ich weiss auch nicht mehr ob es noch am selben Tag geschah oder erst am
Tag darauf. Was ich noch weiss ist, dass nach dem Umparken und bei Demontage des
Segels bereits starker Wind herrschte. Denn eine Unachtsamkeit forderte seinen
Tribut: Das Großfall wurde von mir nicht gesichert. Der Wind hatte es weit nach
achtern auslaufen lassen und es ist dabei mit dem Beschlag in meinen
Windgenerator gekommen. Dieser hatte dann ein Stück ausgeschlagenes Rotorblatt
und dadurch beim Laufen eine Unwucht, die bei schnellerem Laufen für extreme
Schwingungen gesorgt hat.
Spätestens hier endet der zweite Tag. Ich weiss nicht mehr
ob wir essen waren, ich denke eher ja, denn ich hatte ja Probleme mit dem
Kocher. Als Ersatz hatte ich einen Campingkocher dabei mit Gaskartuschen. Das
hat aber nicht viel gebracht. Ich kann mich an nur einmal Kochen erinnern und
das waren Papas Bratkartoffeln. Das letzte Mal für immer….
Beim Einbauen der Lautsprecher |
Als weiteres Problem stellte sich das Küchenlicht heraus.
Nach vollendeter Fehlersuche stellten wir fest, dass der Generator für die
Neonröhre defekt sein musste. Wir kauften im Yachtzubehör eine neue Lampe und
bauten diese ein mit hervorragendem Ergebnis.
Schließlich meine ich, dass wir uns an diesem Tag auch an
den Petroleumkocher herangewagt haben. Im Endergebnis war das Gewinde des
Brenners total überdreht und nichts ging mehr. Seither ist der Petroleumkocher
kaputt, eine Neuanschaffung ist unsagbar teuer. Ich werde wohl versuchen zu
reparieren, aber dann unter externer Hilfe
So endete unser Tag mit Sturm, wieder in Cuxhaven.
Der Ablauf der nächsten Ereignisse ist mir nicht mehr ganz klar.
Ich denke wir haben einen weiteren Tag verloren, denn erst am Tag nach dem
Sturm kam das Segel und wollte erstmal angeschlagen werden. Ich erinnere mich,
dass es dabei besseres Wetter hatte. Es war der Morgen als ich am Nachbarboot
eine losgerollte Genua wild umherschlagen sah und diese aufrollte und festband.
Wir waren irgendwann auch nochmal am Strand und haben
gelesen und gebadet. Vielleicht war es an diesem Tag. Und dann haben wir später
noch einmal das Segel angeschlagen. Ja, ich denke so wird es gewesen sein.
Am folgenden Tag dann sollte es endlich losgehen. Für
Helgoland waren Windrichtung und noch raue See entgegenstehend. Außerdem wusste
ich, dass ich am Montag wieder nach Berlin musste (und am selben Tag zurück),
was ggfs. die Rückreise hätte schwierig lassen werden können. Ich entschied,
die Elbe aufzusegeln. Ich hatte auch einen Call an diesem Tag, ich denke es muss
also ein Freitag gewesen sein. Und ich dachte mir so kann ich den Call schön an
der Elbe machen und muss ihn nicht canceln. Wie blöd, das letzte Mal so richtig
segeln mit Papa und ich muss auch noch eine Stunde von dieser wertvollen Zeit
in einen dummen überflüssigen Call.
Auf Rauschfahrt nach Glückstadt |
Wir passierten also Brunsbüttel und hielten auf Glückstadt
zu. Ich musste in meinen Call. Plan war, dass ich den in Ruhe zuende führe und
dann viel später irgendwann hätte ich mir Gedanken um die Hafeneinfahrt machen können.
Es kam jedoch so, dass wir mitten im Call auf Höhe Glückstadt ankamen. Das
bedeutete, dass ich irgendwie die Segel bergen musste und da reinfahren musste,
Papa konnte das ja nicht, der war ja komplett unerfahren nur nur Leichtmatrose.
Also sind wir mit mir unter Kopfhörern im Call Manöver gefahren, zuerst auf
Halbwindkurs auf die andere Seite der Elbe, dort dann auf Gegenkurs, in den Wind,
um das Großsegel zu bergen, Wir sind dicht am Wind unter Vorsegel gefahren und
Papa hat perfekt auf diesem Kurs gesteuert, sodass ich nach vorn an den Mast gehen
konnte und das Großsegel bergen konnte. Dann unter Motor haben wir auch das
Vorsegel weggenommen. Während ich vorn am Mast stand und mit dem Segel
hantierte musste ich aktiv im Call etwas sagen, das Manöver unterbrechen und
kurz ein Statement abgeben. Sehr skurril..
Wir sind dann auf Glückstadt zugefahren, mussten der Fähre
ausweichen, auf der wir beide selbst schon unterwegs waren. Kurz vor Glückstadt
habe ich dann das Ruder übernommen. Alles noch unter Kopfhörern im Call.
Im Hafen dann habe ich uns einen Platz gesucht. Ich habe
alles vorbereitet und Papa zu verstehen gegeben, dass ich das allein mache. Und
siehe da, ich lasse mich vom Wind ganz sanft an den Steg randrücken, so wie ich
es kurz zuvor im Segelkurs gelernt hatte. Tau geworfen, Klampe belegt,
eingedampft, fertig. Mit dem abgeschlossenen Manöver endete auch mein Call…
Mittagsschlaf in Glückstadt |
Nachdem wir unseren Kuchen von Mutti zu uns genommen hatten
und er uns auch Kaffee gekocht hatte (das war nach einem Anleger seine
Aufgabe), sind wir dann in die Stadt und haben diese bewundert. Auf dem
Marktplatz waren wir ein Eis essen und auf dem Weg dahin hatte Papa nur Augen für
die schönen Häuser während ich nur Augen für die schönen Schiffe im Hafen
hatte.
Grillen mit dem Einweggrill in Glückstadt |
Am Ende des Tages grillten wir mal wieder mit meinem
Einweggrill. War ein leckeres Essen und es gab auch tolle Bilder. Nach dem
Essen sind wir noch raus auf die Mole wo inzwischen Niedrigwasser war. Weit
fielen die Sände und die Tiere machten sich wohl auf den Weg nach Wattwürmern.
Am folgenden Tag sollte es schon ganz früh losgehen, der
blöden Gezeiten wegen. Ich denke es war 4 oder 5 Uhr als wir aufstanden und gg.
6 Uhr sind wir spätestens abgefahren. Diese friedlichen Morgen auf dem Wasser
haben ihren ganz besonderen Zauber, so auch hier. Frühstück hatten wir
unterwegs geplant. Wir sind einfach aufgestanden und los.
Die Rückfahrt nach Cuxi, am Ende unter Segel |
Für den Rest des Tages, und es muss Samstag gewesen sein,
habe ich keine Erinnerung. Papa muss noch Mittagsschlag gemacht haben. Abends
haben wir dann gekocht, Papas Bratkartoffelrezept.
Der letzte Tag der Sonntag wäre dann perfekt gewesen um nach
Helgoland zu fahren. Doch dazu kam es wegen meiner Arbeit nicht mehr. Ich weiss
nicht mehr, ob wir den Anker noch im Urlaub oder erst später im September noch
einmal getestet haben. Ich denke es war im Urlaub. Wir sind also am Sonntag
vermutlich nochmal raus, sind auf die Reede direkt vor Cuxhaven gefahren du
haben dort den Anker geworfen und dazu Muttis Kuchen aufgeputzt. Ich habe noch
mit dem Radargerät experimentiert und wir hatten immer wieder unsere Position
im Strom geprüft. Der Anker hielt wunderbar.
Gut möglich dass wir so am Vormittag noch einmal baden waren
– dafür spricht dass wir erst am Nachmittag unser Ankermanöver gefahren sind.
Früh morgens am Montag dann sind wir gemeinsam mit dem Zug nach
Berlin gefahren und das war der Abschluss unserer letzten gemeinsamen Reise. Was
noch kam war im September ein Wochenende, an dem wir zwar auch nach Helgoland
wollten, dann aber von Wetter und Strom davon abgehalten worden sind. Und von
den widrigen Brückenöffnungszeiten. Hier sind wir gegen den Strom aufgekreuzt,
ein paar Stunden lang, bis wir in Vorwärtsfahrt rückwärts gefahren sind.
Am Ende muss ich sagen, dass ich mit niemandem sonst so gern
auf dem Meer war, wie mit Dir, mein Papa. Du hattest keine Angst, Du hattest
Spaß. Du warst interessiert und hast Dir angenommen was ich Dir empfohlen habe.
Du hast gelernt von mir und konntest am Ende Knoten und Manöver fahren und wusstest
um die Grundlagen des Segelns. Niemand war so geduldig auch mit mir in der Zeit
auf dem Meer. Bei niemanden habe ich so sehr das Gefühl gehabt, dass ich auch
ihm etwas gebe damit. Danke, Papa, Danke für diese gemeinsame Zeit, die uns ein
gutes Stück näher gebracht hat. Ich weiss, ursprünglich wolltest Du gar nicht
mit, aber als es mit der Ex und mir zuende war, hast Du Dich in Deiner
väterlichen Pflicht gefühlt, mich in der Sache zu begleiten. Ich weiss Du
hattest sogar große Angst vor dem ersten Törn, damals in die Dänische Südsee. Du
hast mit mir nicht nur die Fahrten unternommen, in die Dänische Südsee, nach
Kopenhagen, nach Helgoland und Wangerooge und zuletzt nach Glückstadt, sondern
Du hast mit mir auch die Rastina ausgesucht und bist mit mir dazu nach Dänemark
und quer durch Deutschland gefahren. Ich bin Dir unendlich dankbar für diese
gemeinsame Zeit und wünschte es mir so sehr, dass wir noch ein Abenteuer haben
könnten. Du bist allgegenwärtig wenn ich auf dem Schiff bin. Du fehlst mir!
Ob und wie es jetzt weitergeht, abseits von ein paar Solo-Urlaubstörns, kann ich nicht sagen. Meine Mutter werde ich jedenfalls jetzt nicht allein lassen in dieser schwierigen Phase. Das Projekt Weltumsegelung ist nach Deinem Tod bis auf unbestimmte Zeit auf Eis. Irgendwie dachte ich ich hätte noch 10 Jahre Zeit...
Ob und wie es jetzt weitergeht, abseits von ein paar Solo-Urlaubstörns, kann ich nicht sagen. Meine Mutter werde ich jedenfalls jetzt nicht allein lassen in dieser schwierigen Phase. Das Projekt Weltumsegelung ist nach Deinem Tod bis auf unbestimmte Zeit auf Eis. Irgendwie dachte ich ich hätte noch 10 Jahre Zeit...